Mit üblen Reden gegen das Verbot

Tagesanzeiger

Der Nationalrat will die Anti-Rassismus-Strafnorm nicht abschwächen. Ihre Gegner haben sich selbst entlarvt.


Autor: Von Bruno Vanoni, Bern

Die Streichung der Anti-Rassismus-Strafnorm sei nicht seine Absicht, versicherte der Thurgauer FPS-Nationalrat Wilfried Gusset, als er seine Motion für eine Gesetzesrevision deponierte. Es gehe bloss darum, den Gesetzartikel präziser und volksnaher zu formulieren.

Sich selber widerlegt

Als sich der Nationalrat am Mittwoch der Motion annahm, zeigte Gusset sein wahres Gesicht. Er wetterte über „einfallende Asylanten“ und „fremde Lebensarten“, welche die schweizerische Gesellschaft bedrängten. Er witterte Willkür, Intoleranz und Denunziantentum – natürlich nur beim politischen Gegner. Er sprach von einer „ausgewachsenen Schweinerei“ und behauptete, die Anti-Rassismus-Strafnorm sei „die Beschneidung der Meinungsäusserungsfreiheit“ schlechthin.

„Kranke Hirne“

Sein Zürcher Parteifreund Michael E. Dreher bewies freilich genau das Gegenteil: Er legte am Beispiel von Freisprüchen dar, dass problematische Meinungsäusserungen über andersrassige Menschen keineswegs immer strafbar sind. Doch auch Dreher versäumte es am Rednerpult nicht, die Verteidiger der Anti-Rassismus-Strafnorm als „kranke Hirne“ zu verunglimpfen. Als „Cabaret“ verspottete er die nationalrätliche Rechtskommission, weil sie an der Aufhebung der parlamentarischen Immunität von SD-Nationalrat Rudolf Keller festhalten will (TA vom Dienstag).

Der Luzerner CVP-Nationalrätin Rosmarie Dormann unterstellte Dreher gar, sie habe doch „diesen Fischmehlpreis“ bekommen und sei somit für ihr Nein zur Motion Gusset bezahlt. Damit machte er sich – wie Verena Grendelmeier (LdU, ZH) klarstellte – über den Namen der Holocaust-Überlebenden Fischhof lächerlich, die einen Preis für vorbildliches Engagement gegen Rassismus und Antisemitismus gestiftet haben. Ratspräsidentin Trix Heberlein (FDP, ZH) ermahnte Dreher deswegen nicht, obwohl das Ratsreglement dies bei beleidigenden Äusserungen vorsieht. Sie verspreche sich von einem persönlichen Gespräch eher eine Wirkung, sagte sie dazu auf Anfrage.

Rosmarie Dormann selbst legte sachlich dar, dass die Anti-Rassismus-Strafnorm in der bisherigen Gerichtspraxis keineswegs zum behaupteten „Maulkorbgesetz“ geworden ist. Bisher seien vorab unbelehrbare Holocaust-Leugner und Antisemiten bestraft worden, sagte Regine Aeppli Wartmann (SP, ZH). Und Cécile Bühlmann (Grüne, LU) betonte, die Meinungsäusserungsfreiheit gebe niemandem das Recht, die Menschenwürde anderer zu verletzen.

Auch Bundesrat Arnold Koller wehrte sich gegen die geforderte Gesetzesrevision. Der Nationalrat lehnte die Forderungen Gussets mit 96 gegen immerhin 42 Stimmen ab. Für die Abschwächung der Anti-Rassismus-Strafnorm stimmte die geschlossene SVP-Fraktion und genau die Hälfte der anwesenden Freisinnigen.