Scharfe Kritik nach Skin-Attacke

04.08.1997

Rechtsextremen-Szene formiert sich neu

Zwei Tage nach den gewalttätigen Ausschreitungen von Rechtsextremen in Zürich geraten Polizeivorstand Robert Neukomm wie auch sein Polizeikorps unter Beschuss.

Zürich. – Der Pressesprecher der Zürcher Stadtpolizei, Walter Gehriger, hält das Vorgehen der Polizei nach wie vor für richtig und der „Situation angemessen“. Die dreizehn Polizisten seien hundert „betrunkenen, aggressiven Schlägertypen“ gegenübergestanden. Das „Kräfteverhältnis“ für einen Einsatz habe nicht gestimmt.

Zwar habe die Polizei „gerüchteweise“ von einer Zusammenkunft der Rechtsextremen vernommen. Mit einem derartigen Aufmarsch habe man aber nicht gerechnet. Ansonsten wisse die Polizei nicht mehr über die Rechtsextremen „als ein Journalist“.

Der politisch Verantwortliche des Polizeieinsatzes, SP-Stadtrat Robert Neukomm, steht nach dem umstrittenen Polizeieinsatz vom letzten 1. Mai erneut im Kreuzfeuer der Kritik: Sowohl linke wie auch rechte Politiker werfen ihm Fehlverhalten vor. FDP und SVP kritisieren Neukomm zudem wegen seiner Äusserungen, Bundesrat Delamuraz und Nationalrat Blocher seien für das politische Klima mitverantwortlich, in dem solche Exzesse stattfinden könnten. Sie forderten seinen Rücktritt. Die SP kritisiert den Polizeivorstand, weil man die Skinheads zu lange habe gewähren lassen.

In der „Tagesschau“ am Montag präzisierte Neukomm seine Aussagen. Für die Vorkommnisse in Zürich trügen Delamuraz und Blocher und deren Parteien selbstverständlich keine Verantwortung. Er habe auf den Umstand aufmerksam machen wollen, dass jeder Extremismus einen politischen Boden brauche.

Der Spezialist für rechtsextreme Gruppierungen, Jürg Frischknecht, warnt vor einem zu passiven Vorgehen der Polizei. „Wer sich so zurückhält wie die Zürcher Polizei, hat nichts verstanden“, sagt er. Die Skinheads witterten in jedem Freiraum eine Chance. Laut Frischknecht gibt es Anzeichen, dass sich die Rechtsextremen-Szene nach ihrem letzten grossen gewalttätigen Auftritt im November 1995 in Hochdorf neu formiert. Die Kontakte der Schweizer Skinheads gingen über die Grenzen hinaus. Diese Einschätzung bestätigen Augenzeugen der Ausschreitungen vom Samstag: Unter den Randalierenden hätten sich auch viele Deutsche befunden.