«So wild sind wir gar nicht»

Der Bund

köniz / Seit Wochen sorgen sie für Schlagzeilen, die Jugendlichen, die rund um den BLS-Bahnhof Köniz ihre Freizeit verbringen. Wer aber sind diejungen Leute, die mit Pöbeleien, Schmutz und Lärm die Anwohner störten oder gar verängstigten? Sabrina, Stéphanie, James, Simon und Hagi standendem «Bund» Rede und Antwort.

Autor: Renate Bühler

Die fünf Jugendlichen auf dem Sofa im provisorischen Winterbistro der Könizer Jugendarbeit entsprechen in keiner Hinsicht dem Klischee vomBürgerschreck: Lebhaft sind sie und offen, bemühen sich, auch auf kritische Fragen ehrliche Antworten zu geben.

Die zwei Mädchen und drei Knaben verkehren in der wechselnd grossen Gruppe von Jugendlichen, die in den letzten Monaten zuerst die Anwohner desBahnhofs Köniz mit ihrer lärmigen und manchmal auch Dreck und Zerstörung verursachenden Anwesenheit störte und schliesslich die Gemeinde zumEngagement von Securitas-Wachleuten veranlasste (der «Bund» berichtete).

Wer sind die Kids, die gemäss Mitteilungen pöbeln, trinken und randalieren? «Nach den Radio- und Zeitungsmeldungen sind wir ja halbeSchwerverbrecher», konstatiert Hagi. «Aber ehrlich: So wild wie wir dargestellt werden, sind wir gar nicht.»

Zwischen den Lagern
Hagi, Sabrina, Simon (alle 15), Stéphanie (16) und der 17-jährige James gehören keiner bestimmten Gruppierung an: Früher, so erzählt Simon, habe ermit Skinheads Kontakte gepflegt, «bis ich merkte, dass das Rechte sind». Auch Sabrina und Stéphanie zogen bis vor einiger Zeit mit jungenRechtsextremen um die Häuser. «Heute aber nicht mehr», sagt Sabrina, die nach eigenen Angaben einst sogar selber eine Glatze trug.

Die fünf Jugendlichen beurteilen die Vorkommnisse im Gebiet des Bahnhofs Köniz in der Rückschau selbstkritisch – allerdings legen sie Wert auf dieFeststellung, nie aktiv an Zerstörungsaktionen beteiligt gewesen zu sein. Obwohl sie sich teilweise ungerecht behandelt fühlen – Sabrina: «Bei Polizei undSecuritas läuft alles nach dem Motto mitgefangen, mitgehangen» – geben sie unumwunden zu, als Mitläufer einen Teil der Verantwortung zu tragen. «Esist so», erklärt Stéphanie, «wenn man dabei ist, findet man es lustig, wenn ein anderer etwas kaputt macht. Ich weiss in einem solchen Moment zwarganz genau, dass seine Tat falsch ist, muss halt aber trotzdem lachen.»

Doch auch wer Vandalenakte und Pöbeleien nicht lustig findet, scheint wenig Möglichkeiten zu haben, diese zu verhindern: Die jungen Männer erklären,es sei sehr schwierig, jemanden von einem «Scheiss» abzuhalten. «Man wird gar nicht ernst genommen», sagt James. Zudem laufe man Gefahr,zwischen die Fronten zu geraten: «Sprichst du mit einem Rechten, machen dich die Linken dumm an, und umgekehrt.»

Dass nun Securitas patrouillieren, finden die fünf Freunde schlicht falsch: Bereits seit dem ersten Kälteschub, ganz sicher aber seit dem Tag nach derBeerdigung ihrer auf dem Bahnhofgelände verunfallten Kollegin sei kaum jemand mehr dorthin gegangen. «Wir haben uns nach dem Unfall eher inkleineren Gruppen getroffen» sagt Simon, «damit wir über alles reden konnten.» Ausserdem habe, seit die Gemeinde die Medien über den Einsatz derWachleute informiert hat, überhaupt niemand mehr Interesse daran, sich auf dem Bahnhofplatz zu zeigen. Stéphanie: «Jetzt hat der Bahnhof einenschlechten Ruf. Früher konnten wir uns dort treffen, es gut haben. Jetzt wir