«Ein glücklicher Fan wird nicht gewalttätig»

Der Bund

YB-BASEL / Gegen 2500 Fans des FC Basel sind gestern nach Bern gekommen, um ihre Mannschaft siegen zu sehen. Die Stimmung im Sonderzug war «supereuphorisch» – und sie blieb es bis zum Schluss des Spiels. Über 100 Polizisten sowie weitere Security-Leute kamen mit den Fans zurande – obschon es kritische Situationen gab.

? DÖLF BARBEN, RUEDI KUNZ

Als der Sonderzug aus Basel um 18 Uhr in den Bahnhof Bern einfährt, ist das Gröhlen der 1000 Fussballfans früher zu hören als das Kreischen der Bremsen. Im rechten Frontfenster der Lokomotive ist eine Klubfahne aufgespannt. Fahnen flattern aus den Fenstern der Wagen. Auf dem Perron steht mehr als ein Dutzend Polizisten.

In der einen Hand eine Bierflasche, in der anderen das Handy oder eine Fahne: Dies ist die Standardausrüstung der Fans, die laut johlend aussteigen und der Treppe zuströmen, die auf die Schanzenpasserelle hinaufführt. Die Polizei hat den Zugang zum Innern des Bahnhofs für Basel-Fans gesperrt. Als sich vor der Treppe ein Stau bildet, werden die ersten Leuchtstäbe abgebrannt. Security-Personal des FC Basel sichert die Perronkante, obschon auf den benachbarten Gleisen 7 und 6 keine Züge verkehren. Auf der Passerelle singen und tanzen die meist jungen Frauen und Männer und schwingen Meisterbecher aus Pappe.

«Super-Euphorie» im Zug

Oben an der Schanzenstrasse warten Extrabusse. Aber nur etwa die Hälfte der Fans steigt ein, die anderen setzen sich zu Fuss in Bewegung. «Maischter, Schwizer Maischter», ist immer wieder zu hören. Edi Lorenz, 23, steht im Bus und macht ein glückliches Gesicht. Schon im Sonderzug habe eine «Super-Euphorie» geherrscht, sagt er. «Man freut sich riesig, dass es endlich wieder einmal klappt.» Also keine Schlägereien nach dem Spiel? «Nein, das brauchen wir nicht», sagt Johannes Isenmann, 20, der daneben steht, «es ist zu klar, dass wir es schaffen.» An Gewalt denkt auch Simon Zeier, 24, nicht: «Wenn der FCB gewinnt, dann sind wir Meister und alle Fans glücklich.» Und: «Ein glücklicher Fan wird nicht gewalttätig.»

Im Bus ist es laut. Es wird immer heisser. Vor der Wendeschlaufe in der Länggasse muss der Fahrer anhalten. Ein junger Mann betätigt kurzerhand die Notöffnung der Tür und nach einer Minute sitzt der Fahrer alleine im Bus. Mittlerweile treffen die ersten Basler im Neufeldstadion ein. Sie werden dauernd begleitet von ihrem eigenen Security-Dienst, der die Sache im Griff zu haben scheint: «Gilbert antworten, wo seid Ihr?»

«So, wies aussieht»

Es stünden über 100 Beamte der Stadtpolizei Bern im Einsatz. Vom Bahnhof bis zum Stadion sei «alles gut gelaufen», sagt Polizeisprecher Franz Märki vor der Halbzeitpause. Schwierigkeiten hätten sich erst beim Stadion ergeben. Beim Anpfiff standen noch rund 200 Fans vor dem Eingang. Die rigorosen Eintrittskontrollen in den Gästesektor seien deshalb etwas gelockert worden. Insgesamt sind gegen 2500 Basel-Fans nach Bern gekommen. Ein grosser Teil von ihnen ist laut Märki in Privatautos oder Bussen angereist. Die späte Anreise vieler Matchbesucher habe zu einer «chaotischen Verkehrssituation» geführt. Einige Fans hätten ihre Autos sogar auf dem Pannenstreifen der Autobahn abgestellt.

Dass es an diesem Abend glückliche Basel-Fans gibt, ist schon nach wenigen Spielminuten klar. Im Gästesektor wiegt ein rot-blaues Farbenmeer hin und her. «So wies aussieht, gewinnt Basel», sagt ein Beamter in der Pause, als sich Polizisten und Security-Leute bereits auf die Minuten nach dem Abpfiff vorbereiten. Und zehn Minuten vor Schluss das dritte Tor ist längst gefallen gibt der Speaker durch, der «Meister-Express» fahre um 22.01 Uhr ab.

Spieler fliehen

Das Spiel ist noch nicht zu Ende, und schon steigen die ersten Basel-Fans über die Abschrankungen. Als die Matchuhr das reguläre Spielende anzeigt, sind die Basler nicht mehr zu halten und stürmen das Spielfeld. Die Spieler verlassen den Ort des Triumphs fluchtartig und bringen sich vor der enthemmten Menge in Sicherheit. Unter dem Tribünendach des altehrwürdigen Neufelds spielen sich unbeschreibliche Szenen ab: Hunderte von FCB-Fans drängen sich um den Kabineneingang, vor dem sich ein paar Broncos-Leute mit Schlagstöcken postiert haben. Die im Winter zurückgetretene FCB-Spielerlegende Oliver Kreuzer bittet die Fans per Megafon, zurückzuweichen und den Schweizer Meistern die Möglichkeit zu geben, ins Freie zu treten. Die Mühe ist umsonst: Seine Worte werden von den lauten Siegesgesängen übertönt.

Im YB-Sektor bleibt es derweil recht ruhig. Ein paar Fans versuchen, die Abschrankungen zu überklettern, werden aber vom Broncos-Sicherheitsdienst sofort zurückbugsiert. Ein paar Basler Hooligans, die es auf die Fahne ihrer Berner Rivalen abgesehen haben, lassen es bei einem halbherzigen Versuch bleiben und tauchen wieder in der feiernden Masse unter.

Angespannte Situation

Kurz nach halb zehn mögen die siegestrunkenen Basler nicht mehr länger auf ihre Lieblinge warten. Ein langer Tross setzt sich in Bewegung Richtung Bahnhof. Anders als von der Polizei geplant, führt ihr Weg die Neubrückstrasse hinunter. Prompt mischen sich etwa zwei Dutzend Berner Hooligans unter die Basler. Von der Polizei ist noch nichts zu sehen. Zwei Reithalle-Aktivisten, die die Berner Hooligans bestens zu kennen scheinen, machen sich Sorgen, dass es vor der Reitschule wieder zu Ausschreitungen kommt. «Die Polizei hat die Sache wieder nicht im Griff», meint der eine. Was so nicht stimmt: Rund zwei Dutzend Beamten in Kampfmontur gelingt es, die Fans am Bierhübeli ins Quartier abzudrängen.

Gegen 22 Uhr wirkt Polizeisprecher Märki etwas angespannt. «Es ist sehr heikel», sagt er. Eine halbe Stunde später der Meister-Express hat Bern kurz zuvor verlassen hat sich die Situation entspannt. Märki spricht von einer «Serie Anhaltungen» im Raum Uni/Bubenbergplatz. Zu ernsthaften Zwischenfällen sei es aber nicht gekommen.