Jürg Scherrer verurteilt

Der Bund

BIEL Der Bieler Polizeidirektor und Präsident der Freiheitspartei Schweiz, Jürg Scherrer, wurde gestern wegen Rassendiskriminierung zu 2000 Franken Busse verurteilt. In einer Medienmitteilung habe Scherrer allen Flüchtlingen aus Kosovo eine «starke Tendenz zur Kriminalität» unterstellt, befand Gerichtspräsident Beat Flückiger. Damit habe Scherrer eine bestimmte ethnische Gruppe in gegen die Menschenwürde verstossender Weise herabgesetzt und das Antirassismus-Gesetz verletzt. Scherrer kündigte an, den Fall wenn nötig bis ans Bundesgericht weiterzuziehen. Das Urteil sei «politisch motiviert», die Vorwürfe «willkürlich konstruiert». (rw)

Verurteilung wegen Rassendiskriminierung

Ein Einzelrichter spricht Jürg Scherrer wegen Verstoss gegen das Antirassismus-Gesetz schuldig. Der Bieler Polizeidirektor akzeptiert das Urteil nicht

? RETO WISSMANN

Siegessicher und ohne Anwalt betrat Jürg Scherrer gestern Morgen kurz nach 8 Uhr das Bieler Amthaus, um sich gegen den Vorwurf der Rassendiskriminierung zu wehren. Sichtlich aufgebracht und gegen das «politisch motivierte Urteil» wetternd verliess er es gut drei Stunden später wieder. Gerichtspräsident Beat Flückiger hatte den Bieler Polizeidirektor und Präsidenten der Freiheits-Partei Schweiz (FPS) des Verstosses gegen das Antirassismus-Gesetz für schuldig befunden und ihn zu einer Busse von 2000 Franken und zur Übernahme der Verfahrenskosten von 450 Franken verurteilt.

Das Verfahren in Gang gebracht hat der Aargauer Heinz Kaiser, der im Mai letzten Jahres eine Anzeige wegen Rassendiskriminierung gegen Jürg Scherrer eingereicht hatte. Er nahm dabei Bezug auf eine seit dem 3. April 2001 auf der Homepage der FPS einsehbare Pressemitteilung. Darin schrieb Scherrer: «Die Freiheits-Partei weist darauf hin, dass u. a. die Einwanderer (so genannte Flüchtlinge) aus dem Kosovo einen unverhältnismässig hohen Anteil an der zunehmenden Gewaltbereitschaft und Kriminalität in der Schweiz haben. Darum verlangt die FPS die Rückschaffung sämtlicher Einwanderer aus dem Kosovo innert der ursprünglich verfügten Frist.» Untersuchungsrichter Patrick Robert-Nicoud erkannte darin einen Verstoss gegen das Antirassismus-Gesetz, da Scherrer «die fraglichen Flüchtlinge pauschal als Personen mit krimineller Vergangenheit betitelte und diese dadurch in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzte». Er überwies den Fall im August 2002 ans Einzelgericht Biel-Nidau.

«Falsche Asylpolitik»

Während der gestrigen Befragung durch Gerichtspräsident Flückiger bestätigte Scherrer, dass er persönlich der Urheber der Medienmitteilung sei und dass er über die auf der FPS-Homepage publizierten Beiträge bestimme. In langen Voten legte er dar, dass gegen die «falsche Asylpolitik» des Bundesrates und die «unbegrenzte Einwanderung» etwas unternommen werden müsse. Er habe aber mit der Medienmitteilung nicht sagen wollen, dass alle Kosovo-Albaner kriminell seien. «Dies habe ich weder geschrieben, beabsichtigt noch gemeint.» Warum er dann gefordert habe, alle Kosovo-Albaner seien auszuschaffen, wollte der Richter wissen. «Man weiss nicht, wer eine Straftat verüben wird. Die Kriminellen können nicht von den anderen separiert werden», antwortete Scherrer.

Für Gerichtspräsident Flückiger bestätigten diese Aussagen, dass Scherrer mit der Medienmitteilung eine bestimmte ethnische Gruppe öffentlich in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabgesetzt hat und damit der im Antirassismus-Gesetz beschriebene Straftatbestand erfüllt ist. Grundsätzlich unterstelle Scherrer jedem Kosovo-Albaner «eine starke Tendenz zur Kriminalität», sagte Flückiger in seiner Urteilsbegründung. Damit spreche er den Kosovo-Albanern auf Grund ihrer Ethnie die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung ab.

Für Flückiger war auch erwiesen, dass Scherrer zumindest eventualvorsätzlich gehandelt hat. Im Gegensatz zu einem früheren Verfahren sei Scherrer dieses Mal bewusst einen Schritt weiter gegangen und habe die «Zielgruppe» genau definiert. Bereits während des letzten Prozesses vor einem Jahr, der mit einem Freispruch endete, sei sich Scherrer bewusst gewesen, dass er sich im «Grenzbereich des Zulässigen» bewege. Mit der fraglichen Medienmitteilung habe er zumindest in Kauf genommen, dass er die Grenze überschreite, sagte Flückiger.

«Willkürlich konstruiert»

Unmittelbar nach Bekanntgabe des Urteils kündigte Scherrer an, den Fall mit Hilfe eines Anwalts weiterzuziehen «wenn es sein muss bis vors Bundesgericht». Die Vorwürfe seien «willkürlich konstruiert». Das Antirassismus-Gesetz werde missbraucht, um dem letzten Kritiker das Maul zu stopfen. «Dahinter steckt System. Der Staat nimmt totalitäre Züge an.»

Erfreut über die Verurteilung zeigte sich Heinz Kaiser, der als Zuschauer der Verhandlung beigewohnt hatte. «Es lohnt sich doch, an seine Ideale zu glauben», sagte der selbst ernannte Kämpfer gegen Hass, Gewalt und Rassismus. Dass sich die nationalen Medien, anders als am ersten Prozess gegen Scherrer vor einem Jahr, heute nicht mehr für den Fall interessierten, zeige, dass viele kapituliert hätten. «Doch nicht der Kaiser.» Das Urteil gebe ihm Kraft weiterzumachen.