Open Air auf dem Bundesplatz

BernerZeitung

Gratis-Openair mit Stress für einen stressfreien Dialog

Das zweite Gratis-Open-Air auf dem Bundesplatz wirbt im Vorfeld des 1. August für eine weltoffene «Schweiz mit Herz». An der gestrigen Medienkonferenz schmückten sich auch Politiker mit Herzli-Button und Pop-Botschaft.

Ein seltsames Bild bot gestern das Podium im Medienzentrum des Bundeshauses: Zwischen den grauen Häuptern von Ständeratspräsident Peter Bieri (CVP), Beat Meiner (Generalsekretär der Schweizerischen Flüchtlingshilfe), Buddy Elias vom Anne-Frank-Fonds und Eventmanager Sidney Weill sassen Musicstar Fabienne Louves im knappen Kleidchen und Hip-Hop-Chef Stress im XXL-Shirt. Alle waren gekommen, um das Open Air auf dem Bundesplatz, das am Montag stattfindet, aber mangels Promotion bisher kaum ins?Bewusstsein der Bevölkerung gerückt ist, zu erklären.

Hip-Hop mit Schweizer Pass

Auf die?Frage, wie denn Hip-Hop zur Schweiz passe, antwortete Stress, Special?Guest des mit 200000 Franken Budget schlanken Non-Profit-Events: «Etwa so, wie mein Freund aus Kamerun zu seinem?Schweizer Pass!» Natürlich meinte er damit, dass die Kombination je bunter desto besser sei. Der welsche Bühnenstar, der als Zwölfjähriger aus Estland in die Schweiz kam, sang ein?Tellerwäscher-Loblied auf das Land, das er heute als Heimat bezeichnet: «Hier konnte ich zur Schule gehen, studieren, arbeiten und als Musiker meinen Traum leben. In der Schweiz ist alles möglich ? dafür kann ich Jugendlichen ein Beispiel sein.» Ausländer, so Stress, seien für ein Land, das an sich schon kulturell vielfältig sei, in jedem Fall eine weitere Bereicherung.

Innere Widersprüche

Als Antikampagne zur Ausländerpolitik der SVP wollen die Organisatoren des Open Airs auf dem Bundesplatz ihr Fest allerdings nicht verstanden wissen. Sidney Weill («Rock gegen Hass») wies darauf hin, dass Leute aus allen Bundesratsparteien im Patronat vertreten seien. Gemeinsam wolle man den Parolen der Rechtsextremen auf dem Rütli die positive Botschaft einer toleranten und dialogbereiten Schweiz entgegensetzen.

Flüchtlingshelfer Beat Meiner bestätigte als Präsident des Vereins Open Air auf dem Bundesplatz, dass man für einmal aus dem Links-Rechts-Schema ausbrechen wolle. Deshalb musste er sich von Stress und dessen Hit «Fuck Blocher» deutlich distanzieren. Auch Ständeratspräsident Peter Bieri, der 2004 interveniert hatte, als der Künstler Thomas Hirschhorn in Paris ein Blocher-Bildnis bepissen liess, bekundete Mühe mit dem?Special Guest des Bundesplatz-Open-Airs. Doch trotz innerer Widersprüche haben schliesslich alle mitgemacht ? «Eine gute Sache», so Meiner, «steckt sich jeder gern ans Revers.»

Stress sagte zur Politik nichts. Stattdessen überreichte er dem Politiker Bieri, mit dem er zuvor die frisch renovierten Teile des Bundeshauses besichtigt hatte, eine signierte Festival-CD.

Anne Franks Musicstar

Auch?Fabienne Louves hat diese CD signiert; wie?Stress wird die diesjährige Siegerin der Castingshow «MusicStar» am Montag auf dem?Bundesplatz auftreten. Doch Louves sass noch aus einem anderen Grund auf dem gestrigen Podium: Sie ist die erste Preisträgerin des mit 5000 Franken dotierten «Anne-Frank-Förderpreises gegen Rassismus und Diskriminierung».

«Ich wüsste keine andere Person, die prädestinierter wäre, als sie», erklärte Buddy Elias, Cousin von Anne Frank.?Ist das nicht ein Armutszeugnis für die?Schweizer Jugend? Schliesslich hat sich Louves bisher nur für sich selbst und nicht gegen Rassismus engagiert («Ich bin erst 21!»). Doch offenbar reicht die Tatsache, dass sie schwarz und ein bisschen berühmt ist, um nun im Namen Anne Franks als Aufklärerin in die Schulen geschickt zu werden. Absurd.

Wenn sich die Politik Popstars angelt, um mit ihrer Hilfe Botschaften ans (junge) Volk zu bringen, so darf sie nicht dermassen danebengreifen. Denn Popstars stehen selbst für etwas. Sie haben ihre eigenen Botschaften und diese sind, wie Stress und Louves zeigen, nicht beliebig kombinierbar.

Tina Uhlmann

Openair auf dem?Bundesplatz: Mo, 30.7. ab 16 Uhr. Bands: Prosaik,?Boob, Adrian Weyermann, Fabienne Louves, Wurzel 5, Stress, DJ Tatana. Eintritt frei.