Buchvernissage zu Juden im Kanton Solothurn

BernerZeitung

Geduldet, vertrieben, toleriert

Geduldet, verfolgt, ausgegrenzt und spät toleriert ? so zeigt sich die Geschichte der jüdischen Minderheit im Kanton Solothurn. Die Historikerin Karin Huser beschreibt sie in ihrem neuen Werk «Vieh- und Textilhändler an der Aare».

Noch mehr als in anderen Schweizer Kantonen blieben die Juden im Kanton Solothurn eine verschwindend kleine Minderheit. Dennoch haben sie im Bewusstsein der christlichen Mehrheit immer eine bedeutende Rolle gespielt. Die Gründe dafür beschreibt die aus Rüttenen stammende, in Zürich lebende Historikerin Karin Huser in ihrem Werk «Vieh- und Textilhändler an der Aare», das heute an einer Buchvernissage im Alten Spital vorgestellt wird. Sie schliesst damit eine wichtige Lücke in der Solothurner Sozialgeschichtsschreibung vom Mittelalter bis in die neueste Zeit.

Judenviertel in der Vorstadt

Juden erlebten im Kanton Solothurn das gleiche Schicksal wie anderswo im Gebiet der Schweiz. Die freie Niederlassung wurde ihnen erst spät, in den 1860er Jahren erlaubt. In der Folge liessen sich jüdische Pferde- und Viehhändler vor allem aus dem Elsass ennet der Aare nieder und machten die Vorstadt zu einem kleinen «Judenviertel» samt Synagoge im Oberen Winkel. Namen wie Braunschweig, Dreyfus, Wolff, Katz und Leval sind älteren Solothurnern heute noch geläufig, den Rosshändler Arthur «Thuri» Braunschweig (1891-1969) kannte in der Aarestadt jeder. Wenig später eröffneten Textilhändler ihre Geschäfte in der Altstadt. Adler an der Gurzelngasse und Levy-Picard am Kreuzplatz in Derendingen und später mit einer Filiale am Dornacherplatz waren die bekanntesten dieser Modegeschäfte. Am tiefsten verwurzelt in der Solothurner Bevölkerung ist «der Nordmann», später «Manor», die von Léon Nordmann vor über 80 Jahren gegründete Warenhaus-Niederlassung an der Gurzelngasse 18.Auch in und um Olten entwickelte sich ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert jüdisches Leben, wenn auch in etwas geringerem Masse als in der Hauptstadt. Dort betätigten sich jüdische Familien wie Hecker, Guggenheim, Dreifuss, Wyler und weitere als Viehhändler. Die Marktgasse nannte der Volksmund «Judengasse», später kamen ebenfalls die Textilhändler dazu, das Kleiderhaus Bernheim besteht bis heute. Juden trugen auch in anderen Gebieten Wichtiges bei. So war der bedeutende Psychiater Moritz Tramer lange leitender Arzt in der «Rosegg» und Schauspieler wie Leo Delsen und Markus Breitner wirkten jahrelang als Direktoren am Städtebundtheater.

Aus Dornach verjagt

Doch Juden lebten schon viel früher in Solothurner Gebiet. Im Mittelalter waren sie als Geldverleiher und Ärzte vorübergehend geduldet, aber in eine diskriminierende Judentracht mit spitzem Hut gezwängt. Im 14. Jahrhundert wurden sie als Brunnenvergifter und Pestverursacher wie andernorts vertrieben und ermordet. Karin Huser widmet einem weiteren schwarzen Kapitel der Solothurner Geschichte aus der frühen Neuzeit ein Kapitel, der Landjudengemeinde, die zwischen 1650 und 1736 in Dornach lebte. Diese wurden nach über 80 Jahren Duldung von der christlichen Mehrheit zu «Sündenböcken» gemacht und ausgewiesen.Judenfeindschaft setzte sich später fort. Auch im liberal regierten, katholischen Kanton Solothurn war die christliche und kulturell bedingte Judenfeindlichkeit populär. Die Jahre der Nazizeit und der Antisemitismus warfen ihre Schatten bis in die Schweizer Provinz. Rechtsextreme Fröntler rumorten und geiferten, die im Oltner Walter Verlag erscheinenden Zeitungen «Oltner Nachrichten» und «Morgen» trieften vor Antisemitismus, judenfeindliche Auswüchse blieben aber im Kanton Solothurn mit wenigen Ausnahmen auf der verbalen Ebene.

Gelungenes Miteinander

«Primär handelt sich bei der Geschichte der Juden in Solothurn um eine Geschichte vorübergehenden Duldung, Ausgrenzung und Verfolgung», bilanziert die Autorin. Die jüdische Gemeinde in Solothurn ist heute sehr klein. Die Tatsache, dass Juden bald 150 Jahre im Kanton Solothurn ansässig sind und ein wirtschaftliches Auskommen finden, zeigt aber, dass das Zusammenleben mit der christlichen Mehrheit ? trotz Ressentiments und Konflikten ? seither überwiegend gelungen ist.

Rolf Löffler

Karin Huser, Vieh- und Textilhändler an der Aare, Geschichte der Juden im Kanton Solothurn vom Mittelalter bis heute, 448 S., illustriert, Chronos Verlag, Zürich 2007.