Bundesfeier auf dem Rütli verläuft friedlich

Südostschweiz

Die Bundesfeier auf dem Rütli ist ohne Zwischenfälle über die Bühne gegangen. Die Versuche von Unbefugten, aufs Rütli zu gelangen, blieben erfolglos. Die zahlreichen Ansprachen im ganzen Land standen im Zeichen des Wahlkampfes.

An der Bundesfeier auf dem Rütli dankte gestern Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey, die von den 2000 Gästen mit grossem Beifall empfangen wurde, allen, die gekommen seien, «die Freiheitsrechte zu verteidigen». Die Rütli-Wiese sei nicht wie andere Wiesen, sagte Calmy-Rey. Sie symbolisiere das, was die Schweiz einige. Was die Leute eine, sei der Wille, zusammenzuleben. Es seien die friedlichen und demokratischen Traditionen. Keine Minderheit habe das Recht, die Nationalfeier für sich allein zu beanspruchen. Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi pries das politische System der Schweiz und rief die Schweizerinnen und Schweizer dazu auf, sich einzumischen, zu gestalten und mitzuentscheiden.

Keine grösseren Zwischenfälle

Am Ende der Feier auf dem Rütli sangen einige Personen die alte Schweizer Nationalhymne, und im Anschluss an die Feier detonierte auf der Wiese ein Knallkörper. Zu grösseren Zwischenfällen kam es aber nicht. Zuvor hatten Unbefugte versucht, mit Gummibooten beim Rütli anzulegen. Sie wurden aber von der Polizei daran gehindert. Auch Rechtsextreme, die zu Fuss aufs Rütli wollten, wurden zurückgewiesen. Veranstalter und Polizei zogen eine positive Bilanz. Eine Feier auf dem Rütli werde auch nächstes Jahr stattfinden, sagte Judith Stamm, Präsidentin der Rütli-Kommission.

Blocher und Calmy-Reys Fernduell

Vor der Bundesfeier auf dem Rütli hatten sich Calmy-Rey und Justizminister Christoph Blocher einen indirekten Schlagabtausch geliefert. Blocher warnte in seiner Rede in Andermatt (Uri) davor, die Volksrechte leichtfertig durch übergeordnetes, internationales Recht zu ersetzen. Calmy-Rey konterte die Kritik in ihrer Ansprache in Lenzburg (Aargau). «Einige wollen uns weismachen, dass unsere Volksrechte durch das Völkerrecht bedroht seien», sagte die Bundespräsidentin. Dies sei Unfug. (sda)

Kommentar

Siegerin nach Punkten

Von Fabian Renz

Na, wer sagts denn: Ohne Störmanöver durch Rechtsextreme durfte sich SP-Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey gestern auf dem Rütli von ihren Fans feiern lassen. Neben der extrovertierten Genferin hatte die brave Nationalratspräsidentin Christine Egerszegi unweigerlich einen schweren Stand. Doch immerhin kam auch sie zu einem ungestörten Auftritt am mythischen Geburtsort der Eidgenossenschaft. Der massiven Polizeipräsenz sowie den Sponsoren Nicolas Hayek und Johann Schneider-Ammann seis gedankt.

Somit sind wir nun des drängendsten Problems ledig, mit dem die Schweiz seit Menschengedenken zu kämpfen hatte. Auf diese Idee könnte jedenfalls kommen, wer in den Sommermonaten die Berichte der Boulevardpresse mitverfolgt hat. Findet die Rütli-Feier statt oder nicht, zahlt der Bundesrat oder zahlt er nicht, geht Calmy-Rey auch ohne offizielle Feier hin usw. – das ermüdende und letztlich belanglose Gezänk um die «Wiese mit Kuhdreck» (Zitat SVP-Präsident Ueli Maurer) schien kein Ende nehmen zu wollen. Dazu trug der Bundesrat mit seiner Weigerung, sich an den Sicherheitskosten zu beteiligen, massgeblich bei.

Doch eine rasche und unkomplizierte Lösung lag nicht im Interesse der Hauptprotagonistin. Micheline Calmy-Rey hat sich das Spektakel mit bemerkenswertem Instinkt für Event-Marketing zunutze machen können. So gelang es ihr, der verzweifelt nach Aufmerksamkeit heischenden SVP im Vorfeld dieses Nationalfeiertags medial das Wasser abzugraben. Und selbst die Anti-Völkerrechts-Provokation, die ihr SVP-Rivale Christoph Blocher in seiner Festrede platzierte, wusste Calmy-Rey zu übertrumpfen. An der Wallfahrtsstätte Nummer 1 des helvetischen Retro-Patriotismus ergoss sie sich ohne die leiseste Zurückhaltung in links-feministischen Kampfparolen.

Mit dem 1. August 2007 hat die Bundespräsidentin ihre Stellung als Idol ihrer politischen Entourage und als Alptraum rechtskonservativer Männerbünde gefestigt. Dies bleibt als bemerkenswerteste Erkenntnis aus einem (Medien-) Theater, das sich hoffentlich in den nächsten Jahren so nicht wiederholen wird.