Der Amokfahrer und Thurgauer Neonazi rastet nach Gerichtsanhörung aus: Jetzt muss er in Turin einsitzen

Thurgauer Zeitung. Der «Schweizer Rambo» hat nach seinem Gerichtstermin am Dienstagnachmittag fünf Polizisten aus dem Gefängnis in Verbania angegriffen und verletzt. Die italienischen Behörden verlegten ihn deswegen in die psychiatrische Abteilung eines Turiner Gefängnisses. Die Schweizer Staatsanwaltschaft ermittelt weiter gegen ihn.

Der 31-jährige in Weinfelden wohnhafte Neonazi macht nach seiner Verhaftung am vergangenen Samstag erneut Schlagzeilen. Wie die italienische Zeitung «La Stampa» berichtet, kam es am Dienstagnachmittag nach der gerichtlichen Anhörung im Gefängnis von Verbania zu wüsten Szenen: Gabriel G.* griff fünf Gefängnispolizisten an und verletzte diese.

Vicente Santilli, Regionalsekretär einer autonomen Gewerkschaft von Gefängnisbeamten, sagt zu «La Stampa»: «Das Schlimmste konnte abgewendet werden, aber sie wurden verletzt und mussten ins Krankenhaus.» Nach diesem erneuten Gewaltausbruch wurde der Verhaftete ins Gefängnis «Lorusso Cutugno» nach Turin verlegt, wo es eine spezielle psychiatrische Abteilung für Gefangene gibt.

Schneise der Zerstörung

Die Gerichtsanhörung selbst war zuvor erfolglos verlaufen. G. blieb beim Verhör stumm und beantwortete keine an ihn gerichteten Fragen, obwohl er offenbar Italienisch verstanden haben soll. Die Ermittler haben das Schweizer Konsulat benachrichtigt, aber bisher hat sich kein Familienmitglied oder Anwalt des Angeklagten gemeldet, um ihn zu unterstützen. Ein Verteidiger von Amts wegen wurde ihm daraufhin gestellt. Gemäss «La Stampa» ist G. ursprünglich aus Montreux im Kanton Waadt in den Thurgau gezügelt.

Kameraaufzeichnungen belegen, dass der Schweizer bereits am Samstagmittag des 8. Oktobers über Cannobio nach Italien eingereist ist. Kurz nach 18 Uhr raste er über die Staatsstrasse SS33 entlang des Westufers vom Lago Maggiore. Dabei machte er regelrecht Jagd auf andere Autofahrer und versuchte, diese zu rammen oder von der Strasse abzudrängen. Bei dieser halsbrecherischen Fahrt beschädigte er 15 Autos. Vier Personen, darunter eine Mutter mit ihrem kleinen Mädchen, erlitten einen leichten Schock.

Menschen und Fahrzeuge mit Gewehr bedroht

Anschliessend lenkte er seinen schwarzen VW Golf bei Meina auf eine Tankstelle. Bilder der dortigen Überwachungskamera zeigen, wie er mit nacktem Oberkörper einen alten Schweizer Armeekarabiner der Marke Schmidt Rubin K31 samt aufgestecktem Bajonett im Anschlag hat und auf Autos und Menschen zielt.

Anschliessend setzte er seine Amokfahrt fort, bis er vor der Stadt Stresa die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und an einer Leitplanke zum Stehen kam. Als die Carabinieri den Schweizer festnehmen wollen, bedrohte er auch sie mit dem geladenen Karabiner. Nachdem er sich mit mehreren bewaffneten Polizisten konfrontiert sah, gab er auf und warf sein Gewehr zu Boden. Um etwa 20 Uhr konnten Carabinieri von Verbania Gabriel G. verhaften.

Nazi-Devotionalen im Auto und Kokain im Blut

In seinem Auto fanden die Beamten nebst 45 Patronen des Kalibers 223, drei gestohlene Nummernschilder sowie ein Banner mit Hakenkreuz und Reichsadler. Eine kurze Überprüfung ergab, dass G. bei den Schweizer Behörden als mehrfach vorbestraft verzeichnet und als Neonazi aktenkundig ist.

Im aktuellen Fall seiner Amokfahrt wird wegen illegalen Besitzes und Tragens einer Waffe, schwerer Bedrohung, Körperverletzung und Widerstand gegen Beamte gegen ihn ermittelt. Die Staatsanwältin Olimpia Bossi sagt zu «La Stampa»: «Es ist klar, dass er in keiner Weise mit diesem Gewehr nach Italien hätte einreisen dürfen.» Leutnant James Lui, Kommandant der Polizeistation von Stresa, ergänzt: «Wir stehen in Kontakt mit dem internationalen Zentrum für polizeiliche Zusammenarbeit in Chiasso.»

Auch in der Gefängniszelle, in welche er nach seiner Verhaftung von Samstag auf Sonntag gebracht worden war, soll der Amokfahrer weitergewütet haben. Im Krankenhaus von Verbania ergab ein Drogentest, dass er unter dem Einfluss von Kokain stand.

Staatsanwaltschaft ordnete Hausdurchsuchung an

Bereits am Montag wurde von der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen eine Hausdurchsuchung am Wohnort des Beschuldigten durchgeführt. Laut Patrick Müller, stellvertretender Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Kreuzlingen, wurden dabei Beweismittel sichergestellt. Er sagt: «Die Kantonspolizei wertet die Ergebnisse der Hausdurchsuchung zurzeit aus. Unsere Informationslage ist dünn, da wir den aktuellen Stand der Dinge aus dem Prozess in Italien aus dem ‹Blick› entnehmen müssen.»

Gemäss Staatsanwaltschaft soll es im Jahre 2016 zu einem Prozess gegen Gabriel G. vor dem Bezirksgericht Frauenfeld gekommen sein. Tatsächlich: Laut dem damaligen Urteil wurde G. unter anderem wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung, Vergehen gegen das Waffengesetz, der mehrfachen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Sachbeschädigung angeklagt. G. wurde damals mit einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten belegt, welche jedoch «zu Gunsten einer stationären Massnahme aufgeschoben» wurde. Ausserdem zog das Gericht den beschlagnahmten Teleskop-Schlagstock zur Vernichtung ein.