12 Monate bedingt für Gewalt in der Skinhead-Szene

Schaffhauser Nachrichten 20.2.97

Das Kantonsgericht hat einen ehemaligen Skinhead wegen Erpressung und Körperverletzung zu 12 Monaten Gefängnis bedingt verurteilt. (ces.) Der 26jährige Angeklagte stand bereits mehrmals

vor Gericht im Zusammenhang mit Gewalttätigkeiten. Und er war Exponent der Schweizer Neo-Nazi-Szene, namentlich erwähnt in Jürg Frischknechts Buch «Schweiz – wir kommen». Er selbst betonte aber vor dem Kantonsgericht, er sei nur Mitläufer der Skinheads gewesen und sei 1988 als Mitglied ausgetreten. Für ihn sei diese Zeit «abgeschlossen». Gleichwohl musste das Gericht einen Vorfall beurteilen, der mit einer Skinhead-Party zusammenhing, die 1991 im Hause eines Skinheads über die Bühne ging. Nachdem die Party-Teilnehmer massiven Sachschaden angerichtet hatten, hatte der Vater des Gastgebers Strafantrag eingereicht, diesen jedoch wieder zurückgezogen. Das Untersuchungsrichteramt auferlegte den 13 Beschuldigten gleichwohl die Verfahrenskosten von je 150 Franken. Der Angeklagte bezahlte sie zwar, verlangte das Geld aber immer wieder vom Gastgeber zurück, da er zur Zeit der Sachbeschädigung nicht mehr an der Party gewesen sei. 1994 bedrohte er deswegen den Skinhead gemäss Anklageschrift an der Repfergasse, packte ihn und warf ihn gewaltsam zu Boden. Der Bedrohte blieb zitternd liegen, da ihm die gewalttätige Persönlichkeit des Angeklagten bekannt war, und gab ihm sein Portemonnaie. Worauf der Angeklagte 30 Franken «einkassierte», in der Überzeugung, er habe «darauf ein Anrecht». Dummheit oder Erpressung?In der Hauptverhandlung meinte der ehemalige Skinhead mit einem gewissen Stolz: «Es stimmt, ich wirke bedrohlich – auf viele.» Er bestritt jedoch, den Kontrahenten aus der Szene bedroht und gewaltsam zu Boden geworfen zu haben. Er habe ihn «nur geschupft». Und da sei der «Gstabi», der nur schon zittere, wenn er auftauche, halt umgefallen. Allerdings räumte er ein, der Skinhead habe ihm das Geld nicht freiwillig gegeben. Der ausserordentliche Staatsanwalt Paul Brantschen warf dem Angeklagten Erpressung, eventuell Raub vor.

 

Verteidiger Martin Keiser wollte in dem Vorfall nur eine «Dummheit» sehen, bei der man beachten müsse, dass sie in der Szene passiert sei. Und da sein Mandant sich ja im Recht gewähnt habe, liege keine Absicht für eine unrechtmässige Bereicherung vor, weshalb er einen Freispruch beantragte. Das Kantonsgericht unter dem Vorsitz von Veronika Heller sprach den Angeklagten in diesem Punkt indes der Erpressung für schuldig, da es von einer Gewaltanwendung und einer unrechtmässigen Bereicherung ausging. Neben SVG-Delikten kam es im April 1996 zu einem weiteren tätlichen Übergriff. Diesmal fühlte sich der Mann von einem alkoholisierten Discjockey provoziert. Es kam zum Streit und zu einer handfesten Schlägerei, bei der der Angeklagte den Discjockey mit mehreren Faustschlägen übel traktierte und in einer späteren Phase auf ein parkiertes Auto warf. Der Staatsanwalt beantragte insgesamt 12 Monate Gefängnis unbedingt sowie den Widerruf einer bedingten Vorstrafe von drei Monaten. Er mochte dem Angeklagten keine günstige Prognose stellen, da der Mann seiner Neo-Nazi-Vergangenheit offenbar noch nicht ganz abgeschworen habe und immer wieder gewalttätig werde. Der Verteidiger plädierte auf eine Gefängnisstrafe von sechs bis acht Monaten bei bedingtem Vollzug. Die früheren «struben Phasen» im Leben des Angeklagten hätten sich dank dessen Freundin aus gut bürgerlicher Familie und seiner selbständigen Berufstätigkeit gelegt. Der Strafvollzug würde nun den sozialen Genesungs- und Stabilisierungsprozess stören und zwei weitere Menschen – den Angeklagten und seinen Mitarbeiter – in die Arbeitslosigkeit versetzen.Bedingter StrafvollzugDas Kantonsgericht verurteilte den ehemaligen Skinhead wegen Erpressung, Körperverletzung und SVG-Delikten zu 12 Monaten Gefängnis, folgte aber der Verteidigung und gewährte dem Angeklagten den bedingten Strafvollzug. Es sei zwar nicht auszuschliessen, dass der Mann weiterhin Schwierigkeiten habe, sein Temperament zu zügeln, wenn er sich provoziert fühle. Der Mann habe sein Leben jedoch stabilisiert und in letzter Zeit nicht mehr delinquiert. «Der Angeklagte muss aber lernen», betonte Veronika Heller, «seine Probleme nicht mit Fäusten zu lösen, sondern konfliktträchtigen Situationen aus dem Wege zu gehen.»