Zu gefährlich und zu teuer: Wileroltigen zieht die Notbremse

Der Bund. Der geplante Anlass gegen den Transitplatz für Fahrende in Wileroltigen ist abgesagt. Man wolle verhindern, dass jemand im Dorf zu Schaden komme, sagt Gemeindepräsident Christian Grossenbacher.

Verkehrsdienst, Toilettenwagen, Samariterzelt, Festwirtschaft – Wileroltigen rüstete zum grossen Anlass gegen den geplanten Transitplatz für Fahrende, der für den kommenden Montagabend geplant war. Deklariert war er als Informationsanlass, denn Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) hätte über die Pläne des Kantons orientieren sollen. Der Aufruf wurde breit gestreut und in den sozialen Medien vielfach geteilt. Ende letzter Woche artete die Sache aus, sodass die Facebook-Seite erst von rassistischen Äusserungen gesäubert und dann geschlossen wurde (siehe «Bund» vom Samstag).

Nun ziehen die Organisatoren – der Gemeinderat von Wileroltigen und das Bürgerkomitee – die Notbremse: Die Veranstaltung, eigentlich ein Volksfest gegen Fahrende, wird abgesagt. Man könne die Sicherheit nicht garantieren, sagte Gemeindepräsident Christian Grossenbacher gestern an einer kurzfristig einberufenen Medienkonferenz. Man habe davon ausgehen müssen, dass Gruppen nach Wileroltigen kämen, die «einander nicht freundlich gesinnt» seien. «Wir wollen verhindern, dass jemand im Dorf zu Schaden kommt», so Grossenbacher, «es wäre immer ein Restrisiko geblieben.» Zwar hatten Gemeinderat und Bürgerkomitee sich dezidiert gegen Gewalt und Rassismus ausgesprochen, aber ob dies gefruchtet hätte, ist eine andere Frage.

«Ein Entscheid der Stärke»

Für den Anlass auf dem Gemeindeplatz hätte man 100 oder mehr Polizisten aufbieten müssen. Finanziell sei ein solches Sicherheitsdispositiv für eine so kleine Gemeinde wie Wileroltigen mit nur rund 370 Einwohnern nicht zu stemmen, sagte Gemeindepräsident Grossenbacher. Regierungsrat Christoph Neuhaus bezeichnete den Entscheid als sinnvoll. Es seien Emotionen aufgekommen, die eine Durchführung problematisch gemacht hätten.

Für die Verantwortlichen ist die Absage keine Niederlage, der Schritt sei vielmehr mutig und konsequent. Armin Mürner, Präsident des Bürgerkomitees, gibt zu, dass man nicht mit dieser grossen Dynamik gerechnet habe. «Aber die Sache ist uns nicht über den Kopf gewachsen, denn wir haben rechtzeitig gehandelt.» Zu erwarten ist allerdings, dass Hardliner den Entscheid trotzdem als feige und die Organisatoren als «Höseler» abqualifizieren werden. Mürner lässt sich dadurch nicht beirren: «Es ist ein Entscheid der Stärke.» In den vergangenen Wochen habe man viel Unterstützung erfahren. Über das Anliegen sei schweizweit berichtet worden.

Beim Rastplatz Wileroltigen an der A 1 haben sich Anfang Juli zahlreiche Fahrende niedergelassen. Die Bewohner des Dorfes beklagen sich über Dreck, Abfall und Fäkalien auf den Wiesen. Zu
Spitzenzeiten im Juli befanden sich über 500 Fahrende auf dem Platz, nun sind es etwa noch 200. Nach eigenen Angaben wollen sie zwischen dem 10. und 12. August abreisen. Die Parzelle gehört dem Bundesamt für Strassen Astra. Bereits zweimal versuchte das Bundesamt, die Fahrenden gerichtlich wegzuweisen, was aber nicht gelang, da die anwesenden Personen zuerst eindeutig identifiziert werden müssen. Das Astra bestätigte eine entsprechende Meldung der «Berner Zeitung».

«Botschaft ist angekommen»

Man werde den Kampf weiterführen, kündete BDP-Grossrat Daniel Schwaar im Namen der Organisatoren an. Er verlangte, das Thema sei auf nationaler Ebene anzugehen. «Ich glaube, die Botschaft ist deutlich angekommen, auch bei Regierungsrat Neuhaus», sagte Schwaar weiter. Nicht nur eine kleine Gemeinde, nein eine ganze Region lehne den geplanten Transitplatz ab.

Allerdings hat der Regierungsrat nach der Ablehnung des Transitplatzes in Meinisberg im Grossen Rat den Auftrag erhalten, eine günstigere Variante auszuarbeiten. Der Kanton kann also die Hände nicht einfach in den Schoss legen. Man befinde sich aber erst am Anfang der Abklärungen und könne nicht sagen, welche Kosten entstünden, sagte Neuhaus. Gesprochen wird von einer Kapazität für 50 bis 70 Fahrzeuge. «Der Platz soll überschaubar und bewältigbar sein.» Die Gemeinde soll in den Entscheidprozess eingebunden werden. Für Gemeindepräsident Grossenbacher ist dies ein kleiner Erfolg des Widerstands: «Bisher hatten wir nichts zu sagen. Wir erwarten faire Verhandlungen.»

Abgeschlossen ist die Diskussion um den Transitplatz in Wileroltigen damit noch lange nicht. Für den abgesagten Anlass wollte das Bürgerkomitee über 1300 Fähnchen mit dem Slogan Stop Fahrende herstellen. Zahlreiche Fähnchen sind schon fertig. Einstampfen wird man sie nicht: «Wir können die Fähnli irgendwann schon noch brauchen», sagte Mürner vom Bürgerkomitee.

Widerstand gegen Transitplatz für Fahrende

«Es geht nicht um eine neue Politik der BDP»


Die Hälfte der parteigebundenen Redner am abgesagten Informationsabend in Wileroltigen stammen aus der BDP. Dies sei Zufall, betonen Exponenten der Partei.

Eigentlich wäre der Protest gegen den Durchgangsplatz für Fahrende in Wileroltigen ein SVP-Thema. Aber im Dorf war zuerst Grossrat Daniel Schwaar (BDP) am Ball. «Dieses Jahr müssen wir bereits zum dritten Mal Erfahrungen mit dem leidigen Thema machen», sagt der Wileroltiger. Er sei vom Bürgerkomitee beauftragt worden, die Kontakte zur Politik herzustellen. Die Referenten für den nun abgesagten Informationsabend von nächstem Montag habe er in der Region gesucht, wo bürgerliche Parteien stark vertreten sind. «Ich wollte das Thema im Sinne der Bevölkerung in der Region besetzen», sagt Schwaar.

Kein «parteipolitisches Geplänkel»

Nebst Schwaar selber wären am Montag auch BDP-Grossrat Jakob Etter, der einstige BDP-Nationalrat Heinz Siegenthaler, JSVP-Co-Präsident Nils Fiechter, Alt-Grossrat Walter Balmer (SVP) und der Freiburger Grossrat Ueli Johner (SVP) als Redner vorgesehen gewesen. Von offizieller Seite hätten der Statthalter oder sein Stellvertreter und ein Vertreter der Regionalkonferenz Bern-Mittelland (RK) das Wort ergreifen sollen. Letzterer habe jedoch abgesagt, sagt Schwaar.

Somit wäre die Hälfte der bürgerlichen Sprecher aus der BDP gekommen. Er habe die Redner mehrheitlich auf Vorschlag des Bürgerkomitees und ohne Rücksicht auf ihre Parteizugehörigkeit angefragt, sagt Schwaar. Schliesslich sei er auch von Anfang an der Auffassung gewesen, dass der Kampf gegen den Durchgangsplatz ein Sachthema und kein parteipolitisches Geplänkel sei. Bei der Auswahl der Redner habe er denn auch nicht an den Wahlkampf für die kommenden Grossratswahlen gedacht, sagt Schwaar.

Finanzen und Fäkalien

Auch andere BDP-Exponenten versuchen den Ball flach zu halten. Grossrat Jakob Etter spricht von einer «regionalen Angelegenheit». Er kenne zwar einige der betroffenen Anrainer des Platzes, sagt der Gemüsebautechniker aus dem Seeländer Dorf Treiten. Am Montag hätte er sich aber als Mitglied der grossrätlichen Finanzkommission äussern wollen. Etter verweist auf die Debatte über das kantonale Sparpaket, die nächsten November im Grossen Rat stattfinden wird. Dabei stünden schmerzhafte Einschnitte bei den Schülertransporten, im Behindertenwesen oder in der Pflege zur Debatte. «Ein Kredit für einen Transitplatz für Fahrende steht da ziemlich quer in der Landschaft», sagt Etter. Diese Feststellung habe für ihn «nichts mit Parteipolitik» zu tun.

Ex-Nationalrat Heinz Siegenthaler hätte sich zum Thema «Hygiene und Fruchtfolgeflächen» geäussert. Der Gesetzgeber habe die Düngung von Feldern durch Klärschlamm zu Recht verboten, sagt der Landwirt aus Rüti bei Büren. Eine Verunreinigung der Felder bei Wileroltigen durch menschliche Fäkalien müsse daher verhindert werden, sagt Siegenthaler.

«Lokale Betroffenheit»

BDP-Kantonalpräsident Enea Martinelli weist darauf hin, dass Mitglieder der Fraktion das Thema Standplätze für Fahrende verschiedentlich thematisiert hätten. Er betont jedoch, dass dies vor allem aus «lokaler Betroffenheit» geschehen sei. Es sei auch nicht so, dass die BDP nun der SVP ein Thema abjagen wolle. «Es geht nicht um eine neue Politik der BDP», sagt Martinelli.

Der Jung-SVPler Nils Fiechter hat keine Mühe, mit BDP-Exponenten am gleichen Strick zu ziehen. Schliesslich hätten sich BDP und JSVP von Anfang an in der Sache engagiert. Und die JSVP habe als einzige Partei angekündigt, bei einem Ja des Grossen Rates zum Transitplatz-Kredit ein Referendum zu prüfen. «Der Widerstand gegen den Platz ist ein gemeinsames Projekt. Da dürfen die Parteifarben keine Rolle spielen», sagt Fiechter.