1. August: Staatsschützer sagen, wer aufs Rütli darf

SonntagsZeitung

Mit Personendaten-Kontrollen wollen Veranstalter Rechtsextreme fern halten – Politiker äussern Bedenken
Von Joël Widmer
RüTLI · Wer dieses Jahr aufs Rütli will, muss bei der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) ein Gratisbillett bestellen. Auf dem Anmeldeformular steht: «Die Veranstalter behalten sich vor, im Zweifelsfall die auf dem Formular aufgeführten Personen durch Nachschlagung in den polizeilichen Datenbanken zu überprüfen.» Damit soll verhindert werden, dass Rechtsradikale auf dem Rütli wieder Stunk machen. Letztes Jahr haben etwa 700 Neonazis Bundespräsident Samuel Schmid ausgebuht und verhöhnt.

Die für den Einsatz auf dem Rütli zuständige Kantonspolizei Luzern bestätigt die Staatsschutzabklärung. Die Polizei erhalte von der SGG eine Liste mit Personennamen. Man werde zu den aufgeführten Personen bei den zuständigen Behörden in verschiedenen Kantonen Informationen einfordern, sagt Kapo-Kommandant Beat Hensler. «Darauf basierend werden wir der SGG eine Empfehlung abgeben, welche Personen kein Billett erhalten sollten», so Hensler.

«Die Weitergabe von Personendaten durch die Polizei an einen privaten Verein ist rechtlich heikel bis unzulässig», sagt der grüne Nationalrat und Jurist Daniel Vischer. Für das gleiche Vorgehen bei Hooligans habe man auf Bundesebene ein neues Gesetz machen müssen. Auch SP-Nationalrat Erwin Jutzet hat datenschützerische Bedenken. «Ich verurteile diese Rechtsextremen, doch der Verein müsste andere Wege finden», sagt Jutzet. Der Urner CVP-Ständerat Hansruedi Stadler erachtet die Massnahme «unter dem Eindruck der wüsten Bilder vom letzten Jahr» als verhältnismässig. «Doch grundsätzlich ist dieses Vorgehen eine heikle Gratwanderung», so Stadler.

«Man könnte meinen, es sei ein Ernstfall à la al-Qaida»

SVP-Nationalrat Hans Fehr sieht beim Datenschutz kein Problem. Trotzdem seien die Staatsschutzmassnahmen «wegen ein paar Spinnern» absurd. «Man könnte meinen, es sei ein Ernstfall à la al-Qaida», sagt Fehr.

Der Geschäftsleiter der SGG, Herbert Ammann, weiss um die Kritik: «Wir haben das Optimum herausgeholt in der Balance zwischen Sicherheit und den heiklen Fragen des Datenschutzes.»

Die Auskunft über sensible Personendaten von Behörden an Private ist in den Datenschutzgesetzen restriktiv geregelt. In einigen Kantonen erhielte die SGG keine Auskunft über Personendaten. «Würde der Verein im Kanton Aargau anfragen, sähe ich keine Rechtsgrundlage, die eine derartige Auskunft erlauben würde», sagt Gunhilt Kersten, Präsidentin der Aargauer Datenschutzkommission. Auch in Zürich würden die Rütli-Organisatoren laut dem Datenschutzbeauftragten Bruno Baeriswyl auflaufen. Der Luzerner Datenschutzbeauftragte war nicht zu erreichen.

«Die Polizei hat den Auftrag, für Ruhe und Ordnung zu sorgen», rechtfertigt sich Kapo-Kommandant Hensler. «Wir geben ja keine Daten, sondern nur eine Empfehlung heraus.» Zudem gehe er davon aus, dass die Antragsteller von Billetts bei der Anmeldung ihr Einverständnis für dieses Vorgehen geben würden. Laut Gunhilt Kersten ist es aber fraglich, ob die implizite Einwilligung genüge. «Das müsste meiner Meinung nach deutlicher formuliert sein», sagt Kersten.