Wieder Klage gegen Scherrer

Der Bund

Anzeige gegen Bieler Gemeinderat wegen Rassendiskriminierung überwiesen

? RETO WISSMANN

Jürg Scherrer, Bieler Gemeinderat und Präsident der Freiheits-Partei Schweiz, muss sich aufgrund einer Anzeige wegen Verletzung der Rassismus-Strafnorm erneut vor dem Richter verantworten. Dieses Mal geht es um eine Medienmitteilung der Freiheits-Partei vom 3. April 2001. «Die Freiheits-Partei weist darauf hin, dass u. a. die Einwanderer (so genannte Flüchtlinge) aus dem Kosovo einen unverhältnismässig hohen Anteil an der zunehmenden Gewaltbereitschaft und Kriminalität in der Schweiz haben», schrieb die Partei darin. «Die FPS will keine neuen Schweizer, die eine kriminelle Vergangenheit aufweisen», hiess es weiter.

Die Flüchtlinge aus Kosovo seien in dieser Mitteilung pauschal als Personen mit krimineller Vergangenheit betitelt und in einer «gegen die Menschenwürde verstossenden Weise» herabgesetzt worden, schreibt der Bieler Untersuchungsrichter Patrick Robert-Nicoud in seinem Antrag vom 16. August. Der Staatsanwalt stimmte der Überweisung wegen Rassendiskriminierung letzte Woche zu, wie Robert-Nicoud gestern bestätigte. Auf weitere Punkte der Anzeige wie Nötigung oder Amtsmissbrauch wurde nicht eingetreten.

Scherrer prüft Gegenklage

Jürg Scherrer, der erst Ende letzter Woche von derAnzeige erfahren hat, versteht den Überweisungsbeschluss nicht. «Es steht nirgends, alle Kosovo-Albaner seien kriminell», sagt der BielerPolizeidirektor. Die Begründung sei «an den Haaren herbeigezogen». Scherrer lässt derzeit prüfen, ob eine Gegenklage wegen falscher Anschuldigungen Chancen hat. «Das lasse ich mir nicht bieten.»

Der Urheber der Anzeige ist Heinz Kaiser, der Scherrer bereits letztes Jahr wegen Verletzung der Rassismus-Strafnorm angezeigt hat (siehe «Chronologie»). Der 52-jährige Kaiser kämpft mit seinem persönlichen «Forum gegen Gewalt» in Frick AG seit Jahren gegen Rassismus und Rechtsextremismus und hat nach eigenen Angaben bereits sechs ähnliche Anzeigen gegen verschiedene Personen eingereicht. Er ist sich durchaus bewusst, dass eine solche Anzeige auch kontraproduktiv sein kann, fragt sich aber: «Was passiert, wenn niemand mehr etwas gegen Rassismus unternimmt?»

Dass Kaisers Anzeige der auf nationaler Ebene praktisch inexistenten Partei und Jürg Scherrer, der wieder für den Nationalrat kandidieren möchte, willkommene Propaganda ist, zeigt der Umstand, dass die Partei den Fall gestern selber öffentlich gemacht hat. «Erstaunlich

und fragwürdig» sei der Entscheid, die Anzeige dem Gericht zu überweisen, schreibt die Partei in einer Mitteilung.

Chronologie

1996: Immunität Im Anschluss an die «Arena» von SFDRS wurde Jürg Scherrer 1996 erstmals wegen Verletzung der Rassismus-Strafnorm angezeigt. Er hatte erklärt, Tamilen und Jugoslawen könnten nicht mit Bielern oder Zürchern verglichen werden, denn sie seien bedeutend krimineller. Zum Prozess kam es jedoch nicht, weil die parlamentarische Immunität den damaligen Nationalrat Scherrer schützte.

Februar 2002: Freispruch Wegen einer Pressemitteilung vom August 2001 musste sich Scherrer im Februar dieses Jahres vor Gericht verantworten. Nach tätlichen Übergriffen auf Rekruten hatte er geschrieben, man müsse das «Ausländerpack einer gewissen Herkunft unverzüglich aus unserem Land ausschaffen». Anzeige eingereicht hatte auch damals Heinz Kaiser. Richter Markus Gross sprach Scherrer am 20. Februar frei. Scherrer habe nicht direkt zu «Hass oder Diskriminierung von gewissen Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion oder Ethnie» aufgerufen.

August 2002: Kein Prozess Aufgrund von Scherrers Aussage in einem Radiointerview, die Gaskammern seien «ein Detail der Geschichte» gewesen, eröffnete der Bieler Untersuchungsrichter Patrick Robert-Nicoud Anfang Mai ein polizeiliches Ermittlungsverfahren. Das Verfahren wurde jedoch Ende August eingestellt. Dass Scherrer den Holocaust auf die gleiche Stufe mit anderen Völkermorden stelle, sei keine «gröbliche Verharmlosung» begründete Staatsanwalt Pascal Flotron. (rw)