Vom Milchpreis zum Messerstecher-Plakat

von 20.3.2017, 05:30 Uhr

1917, in den Wirren des Ersten Weltkriegs, spaltet sich in Zürich die «Bauernpartei» vom Freisinn und von den Demokraten ab. Damals deutet nichts darauf hin, wie sehr die spätere Zürcher SVP die Politik der Schweiz beeinflussen wird. Zwar mausert sie sich schon bei den Kantonsratswahlen 1917 zur stärksten bürgerlichen Kraft. Ab 1951 nennt sie sich Bauern-, Gewerbe und Bürgerpartei (BGB), und 1971 fusioniert sie mit den Bündner und Glarner Demokraten zur SVP. Aber das erhoffte Wachstum bleibt aus – im Gegenteil: In den Nationalratswahlen von 1975 sackt ihr Wähleranteil auf 11 Prozent ab.

Blochers Schachzug

Die Wende kommt 1977 mit der Wahl von Christoph Blocher zum Präsidenten. Der junge Unternehmer sorgt schon bald dafür, dass die Partei sich nicht nur um Landwirtschaft und Finanzen kümmert, sondern auch um Aussenpolitik und Zuwanderung sowie um Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Ihre Haltung kippt von einem Mittekurs ins Konservative; neu ist aber vor allem der Ton. Das Messerstecher-Inserat, mit dem die SVP im Stadtzürcher Wahlkampf von 1994 die Linke provoziert, schlägt so hohe Wellen, dass die Partei diese Masche aufs nationale Parkett exportiert. Mit schwarzen Schafen, Ratten, Reitstiefeln und gefrässigen Raben setzt sie auf emotionsgeladene Sujets, foutiert sich um «political correctness» und erobert so die Stammtische. Manche Plakate werden von rechtsextremen Parteien anderer Länder kopiert. In der Schweiz indes bleibt rechts von der Blocher-Partei bald kein Platz mehr – die Schweizer Demokraten und die Autopartei verschwinden weitgehend von der Bildfläche.

Die EWR-Welle

In den 1990er Jahren verhilft ein Thema der SVP zum grossen Aufschwung: die EWR-Abstimmung und die Diskussion über einen EU-Beitritt der Schweiz. 1999 kommt die Partei in den nationalen Wahlen auf einen Wähleranteil von 22,5 Prozent. In der Folge schwingt der radikale Zürcher Flügel gegenüber den gemässigten Bernern obenauf. Im gleichen Jahr tritt Christoph Blocher zum ersten Mal als Bundesratskandidat an. Als er scheitert, droht er mit Rache: «Wir sehen uns bei Philippi wieder», schleudert er den Parlamentariern entgegen.

2003, als die SVP klar wählerstärkste Partei geworden ist, erreicht Blocher sein Ziel. Doch seine Rolle als Bundesrat bleibt ein Intermezzo. Nach der Abwahl 2007 kündigt er eine noch härtere Oppositionspolitik an. Allerdings gibt sich die Partei mit einem Platz auf der Oppositionsbank nicht zufrieden. Seit der Wahl von Guy Parmelin ist sie wieder mit zwei Sitzen im Bundesrat vertreten. Und auch in der rot-grün dominierten Stadt Zürich, wo sie seit 1990 kein Exekutivmitglied mehr stellt, hat sie ihre Ambitionen nie begraben. Bei der urbanen Wählerschaft stösst ihre Politik der Abschottung allerdings auf weniger Anklang.