Umstrittener Kleiderverkäufer expandiert

TagesAnzeiger

Die deutsche Modemarke Thor Steinar ist bei Neonazis beliebt – und deshalb immer wieder in den Schlagzeilen. Nun ist der Gründer privat und geschäftlich in den Kanton Zürich gezogen.

Von Niels Walter

Adliswil. – Mangelnde Publizität ist nicht das Problem von Thor Steinar. Das Problem ist: Das Runenlogo, die Embleme und der Auftritt der deutschen Kleidermarke erinnern an völkische Symbolik und an vorchristlichen Germanenkult. Bei Neonazis und Rechtsextremen ist die Marke sehr beliebt. Der Name wird in dieser Szene gerne als eine Kombination aus dem nordischen Gott Thor und dem Namen Felix Steiner interpretiert. Steiner war ein General der Waffen-SS, der beim Russlandfeldzug die Panzerdivision «Wiking» befehligte.

In der rechten Szene steht Thor Steinar für «patriotische Kleidung mit nordischer Attitüde». Rechtsextreme bezeichnen das Label als «ihre» Marke, die Firma Thor Steinar Mediatex GmbH im brandenburgischen Königs Wusterhausen als «zur Bewegung gehörig». Zeitungen schreiben von einer «Designermarke für Rechte».

Der Gründer der umstrittenen Marke, der Deutsche Axel Kopelke, ist kürzlich in den Kanton Zürich gezogen. Der 35-Jährige hat Anfang August die Comdesign Textile AG ins Schweizer Handelsregister eintragen lassen. Kopelke ist Generaldirektor, der Firmensitz ist in einem Geschäftshaus an der Webereistrasse in Adliswil.

Die einzige Person, die offen redet, ist Bernhard Schnopp, einziges Mitglied des Verwaltungsrates der Comdesign Textile. Der diplomierte Wirtschaftsprüfer ist Treuhänder in Cham, und in dieser Funktion sitzt er in verschiedenen Unternehmen im Verwaltungsrat. Ein ehemaliger Studienkollege, so Schnopp, habe ihn gefragt, ob er bei der Firmengründung eines deutschen Textilunternehmers als Treuhänder amten würde. Schnopp lernte Kopelke als «seriösen Geschäftsmann» kennen, «der in der Schweiz ein Unternehmen aufbauen und sich hier niederlassen will». Schnopp weiss nichts über den Ruf von Thor Steinar und davon, dass Kopelke der Gründer der Marke ist. Nach dem Gespräch mit dem TA will Schnopp sich «nun sofort umfassend informieren» und sich allenfalls von der Comdesign Textile zurückziehen.

Kopelke beantwortet Fragen nur schriftlich und nur teilweise. Er wolle in der Schweiz nicht die Marke Thor Steinar vertreiben, sondern zwei «asiatische Konzerne aus dem Bereich Sportswear, Outdoor und Camping bei ihrem geplanten Europainvestment» unterstützen. Was Thor Steinar betrifft, wehrt sich Kopelke gegen «Vereinnahmung gleich durch welche Kräfte». Rechte Symbolik kann Kopelke keine erkennen.

Anders in Deutschland, wo sich schon Gerichte, Politiker, Polizei und Verfassungsschutz mit der Marke beschäftigt haben. 2004 ordnete ein Gericht an, die Kleider zu beschlagnahmen (was eine höhere Instanz widerrief), das Firmenlager wurde versiegelt, das Tragen von Kleidung mit dem alten Logo in einigen Bundesländern eine Zeit lang strafrechtlich verfolgt – worauf die Firma das Logo änderte.

Wird irgendwo ein Laden mit Mode von Thor Steinar eröffnet, prangern Antifaschisten Mieter und Vermieter an, gibts Proteste und auch mal Prügeleien. In mehreren Fussballstadien ist es untersagt, Thor-Steinar-Kleidung zu tragen, unter anderem bei Hertha BSC Berlin, Werder Bremen und Borussia Dortmund.

Rechtsnationaler betrieb Einzelfirma

In Dänemark machte Thor Steinar Schlagzeilen, weil dort ein Mitglied der Hells Angels den Vertrieb übernommen hatte. In der Schweiz war Thor Steinar ein paar Monate lang als Einzelfirma im Handelsregister eingetragen. Der Inhaber war Adrian Segessenmann aus Kirchberg BE, Anführer der rechtsnational gesinnten Avalon-Gemeinschaft. Diesen Frühling liess Segessenmann den Eintrag löschen.

Die Schlagzeilen und der Ruf von Thor Steinar sind anscheinend nicht geschäftsschädigend. Die Kleider und Accessoires in Casualdesign sind teuer, Katalog und Internetauftritt gepflegt und professionell.

Thor Steinar betreibt aber auch Internetseiten mit Infos zu Kult und Geschichte der Germanen, Links zu Wikinger- und Runenspielen sowie einer Liste mit Gerichtsurteilen und Medienberichten über die Marke. Darunter sind zahlreiche Gegendarstellungen und Berichtigungen, die diverse Zeitungen abdrucken mussten. In diesen weisen die Mediatex und Axel Kopelke jeglichen Vorwurf zurück, sie hätten etwas mit Rechtsextremismus zu tun.

Welche Marken Neonazis tragen und vereinnahmen

Wie in anderen Szenen spielen Dresscodes und Marken auch bei den Rechtsextremen eine tragende Rolle. Mit Kleidern drücken sie ihre politische Haltung aus. Früher wars einfach: Bomberjacke, Springerstiefel und Militärhosen standen für rechte Gesinnung. Heute ists komplizierter. Es gibt diverse, auf den ersten Blick unauffällige Kleidermarken, die in der rechten Szene beliebt und verbreitet sind, darunter auch weltbekannte Labels, deren Logo oder Design Neonazis in ihrem Sinne interpretieren.

Die bekanntesten Marken in der rechten Szene sind Lonsdale, Consdaple, Thor Steinar, Pit Bull, Doberman und Alpha Industries. Diese Firma rüstet seit Jahren die US-Army aus, ihr Logo gleicht dem verbotenen Zivilabzeichen der SA (Sturmabteilung). Lonsdale und Consdaple haben beide die Buchstabenfolge NSDA(P) im Namen, was Neonazis als Anspielung auf Hitlers Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei interpretieren. Sie tragen Lonsdale-Pullover und -Shirts unter offener Jacke, sodass nur das Kürzel sichtbar bleibt.

Der Name Lonsdale stammt vom historischen britischen Städtchen Kirkby Lonsdale ab, das heute nicht mehr existiert. Seit den 60er-Jahren heisst eine englische Boxbekleidungsfirma Lonsdale. Rechtsextreme haben den Namen völlig vereinnahmt. Die Firma kämpft seit Jahren gegen das beschädigte Image.

Ebenfalls beliebt sind Polohemden von Fred Perry. Der Engländer Fred Perry war der erste Spitzenspieler im Tennis, der nicht aus der Oberschicht stammte. In den 30er-Jahren anvancierte er zum Idol der britischen Arbeiterklasse und der Skinheads. Die zweimal acht Blätter im Lorbeerkranz des Fred-Perry-Logos interpretieren Rechtsextreme so: Zweimal 8 gleich 88, und 88 ist die Chiffrierung von «Heil Hitler»,H ist der achte Buchstaben im Alphabet. Das Problem für die rechte Szene: Perry war schwul, Jude und setzte sich sein Leben lang dafür ein, dass Schwarze Tennis spielen durften.

Auch in Helly Hansen und der Sportschuhmarke New Balance sehen einige Rechte ihre geliebten Insignien. Das Markensymbol von New Balance ist ein aufgenähtes N; Neonazis lesen es als Nationalsozialist. Und das HH von Helly Hansen heisst – natürlich – Heil Hitler.

Doch seit Helly Hansen auch in der Hiphop-Szene sehr beliebt ist (HH gleich Hiphop), verteufeln viele Rechtsextreme die praktischen Kleider für kalte Tage.