Straßenkampf für die Heimat. AfD-Jugend lernt bei Schweizer Rechtsextremen.

t-online.de. Eine Jugendorganisation ruft offen zur „Heimatverteidigung“ auf. An ihrer Seite: Gewaltbereite Rechtsextreme aus der Schweiz, die für radikale Aktionen bekannt sind.

Die „Junge Alternative“ (JA) in Schleswig-Holstein steht wegen eines Boxtrainings, an dem ein Rechtsextremer aus der Schweiz teilgenommen haben soll, in der Kritik. Die Vorfeldorganisation der AfD hatte selbst ein Foto davon veröffentlicht und die Teilnahme der Gruppe „Junge Tat Schweiz“ bekannt gemacht. Der CDU-Generalsekretär Lukas Kilian ist besorgt und spricht von einer neuen Dimension: „Das ist alles andere als harmlos“, sagt er t-online.

Die Jung-AfDler haben mit dem Gast aus der Schweiz nicht nur geboxt: „Auch interessante Erfahrungen über den politischen Aktivismus“ seien ausgetauscht geworden. Für den CDU-Mann Kilian ist der offene Umgang mit der „Jungen Tat“ der erschreckende Punkt: „Die wollen ihre Gesinnung und ihr europäisches Vernetzungspotenzial zur Schau stellen.“ Die „Junge Alternative“ ist bereits im Visier der Sicherheitsbehörden, auf Bundesebene wird sie vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft.

Schweizer Gruppe: Hauptakteure sollen Antisemiten sein

Die „Junge Tat“ ist in Deutschland eher unbekannt. Die konservative „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) berichtet, dass die Gruppe seit 2022 „aggressiv in die Öffentlichkeit drängt“. Ihre Aktionen gleichen denen der „Identitären Bewegung“: Vermummt und mit Transparenten sowie Pyrotechnik ausgestattet, sorgen sie für eine bildgewaltige Inszenierung. Hochwertige Fotos und Videos für das Internet produzieren sie selbst. Einer ihrer Kampfsprüche: „Die Tat unser Schwert“.

Hauptakteure der Gruppe seien zwei unter 25-Jährige, die im NZZ-Bericht „M. C. und T. L.“ genannt werden. Sie sollen offene Rassisten und Antisemiten sein, die zudem Adolf Hitler bewundern, schreibt die Tageszeitung. In Videos aus dem Gesinnungsumfeld wird mit Kalaschnikows posiert und Israel-Fahnen werden in Brand gesetzt. Von diesen Videos distanzieren sich die beiden Männer inzwischen: Sie hätten im „jugendlichen Leichtsinn“ gehandelt.

Kritik von CDU-Mann: „Es gibt keinerlei Abgrenzung“

Zurück in den deutschen Norden: „Dieser Fall zeigt deutlich, dass rechte Netzwerke keinen Halt vor Grenzen machen“, sagt CDU-Mann Kilian. Der Versuch der AfD, sich zumindest auf kommunaler Ebene als normale Partei zu etablieren, sei gescheitert. „Die AfD Stormarn begrüßt die Aktion, und auch sonst gibt es keinerlei Abgrenzung.“ Der AfD-Nachwuchs begründet das Boxtraining mit „Angriffen auf deutsche Bürger im öffentlichen Raum, aber auch auf politische Aktivisten durch Linksextremisten“. Im Notfall müsse man „standhaft bleiben“. Auch die „Junge Tat“ bietet Boxtrainings an.

Auf Nachfrage von „Bild“ berichtet der Landesvorsitzende Leif Kulina von tätlichen Angriffen auf AfD-Leute bei Corona-Demonstrationen. „Daher ist es eine Notwendigkeit, seine Verteidigungsfähigkeiten zu trainieren, um nicht Opfer linksextremer Attentate zu werden“, wird Kulina zitiert. Auf Anfrage von t-online wiederholt Kulina diese Begründung. Die Aktion sei eine „solide Sache, um öffentlichkeitswirksam für wehrhafte deutsche Bürger zu werben“ gewesen. Die Fragen zur „Jungen Tat“ ignoriert Kulina. Nur: „Die JASH steht fest auf dem Boden des Grundgesetzes und richtet ihre Aktivitäten auch danach aus.“

Junge-Alternative-Chef schon lang in der Neonazi-Szene?

Kulina ist seit Juni 2023 Landeschef. Schon vorher soll er in rechtsextremen Gruppen aktiv gewesen sein. Die Antifa Lübeck hat ein Foto, das Kulina im Jahr 2014 zeigen soll, auf Twitter veröffentlicht: Darauf posiert ein deutlich jüngerer Kulina mit einem Aufkleber der Gruppe „Nationaler Widerstand Schleswig-Holstein“. Auf anderen Bildern ist er mit Reichsflagge zu sehen. „Wir halten die Recherchen zu Herrn Kulinas Vergangenheit für authentisch“, erklärt auch das Regionale Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein auf Anfrage von t-online.

CDU-Politiker Kilian sieht eine zunehmende Radikalisierung der AfD in Schleswig-Holstein: „Die AfD von 2023 ist ein immer extremeres Kondensat der Partei.“ Im Kieler Landtag verlor die Partei ihren Fraktionsstatus, weil der Abgeordnete Frank Brodehl die AfD verließ. Seine Abrechnung in der „Bild“-Zeitung: „Wer Kritik an Rechtsradikalen übt, wird ignoriert oder ausgelacht.“


„Die AfD hat nach rechts keine Grenzen“

„Die AfD hat nach rechts keine Grenzen“, betont Kilian. Der Schulterschluss mit den Schweizern könnte auch in Schleswig-Holstein das politische Klima verändern: „Die wollen von der „Jungen Tat“ lernen, das ist gefährlich und muss ganz genau beachtet werden.“ Auch für das Boxtraining als solches hat er nichts übrig: „Parteien dürfen Gewalt niemals als Instrument in Betracht ziehen.“

Für die AfD sieht er aber auch neue Probleme aufkommen: „Ihre Argumentation ist am Ende. Alle Demokraten in Parlamenten und alle Wähler dürfen sich von der bröckelnden bürgerlichen Fassade der AfD nicht mehr täuschen lassen.“

Neben der Bundesorganisation der JA werden auch die Landesverbände in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. In Westdeutschland kommen zahlreiche Verdachtsfälle hinzu. In Schleswig-Holstein noch nicht, zumindest nicht offiziell. Die Landesverfassungsschutzbehörde (LfV) habe „Berichte von einem „Boxtraining“ der JA zur Kenntnis genommen“, teilt das Innenministerium auf Anfrage von t-online mit. „Über die Bewertung von Personen oder Organisationen, die nicht im Verfassungsschutzbericht 2022 der Landesregierung genannt sind, gibt die LfV SH grundsätzlich keine Auskünfte.“ In den Berichten spielt die JA bislang so gut wie keine Rolle, wurde seit 2018 nur einmal erwähnt.