Rechtsrocker versuchen sich herauszureden

Bund

Die Mitglieder der Rockband Indiziert erklären dem Burgdorfer Strafeinzelrichter, wie ihre Liedtexte zu verstehen sind – weichen jedoch in heiklen Punkten aus

Sie besingen die «reine, weisse Schweiz», die von der «fremden Brut» befreit werden müsse. Auch mit Politikern, Homosexuellen und Journalisten gehen sie in ihren Texten nicht zimperlich um. Ob sich die vier aus dem Raum Emmental-Oberaargau damit strafbar machen, prüft nun der Richter.

stefan von below

Die Ende 2001 gegründete Kapelle sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Viermal ist Indiziert, laut Inlandnachrichtendienst DAP die aktivste aller rechtsextremen Bands in der Schweiz, in den letzten Jahren aus verschiedenen Übungslokalen im Raum Emmental-Oberaargau hinausgeworfen worden. Trotzdem hat die Truppe rund um den Sänger und Langenthaler PNOS-Exponenten Dominic Lüthard zwei CDs unter den klingenden Titeln «Eidgenössischer Widerstand» und «Marsch auf Bern» aufgenommen und ist rund 20-mal aufgetreten – in ihrer Heimat, aber auch vor Gesinnungsgenossen in Deutschland und Österreich. Seit gestern müssen sich die vier jungen Männer im Alter zwischen 22 und 24 Jahren wegen ihrer Texte vor dem Burgdorfer Strafeinzelrichter Jürg Bähler verantworten. Ihnen werden Verstösse gegen die Antirassismusstrafnorm sowie öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit vorgeworfen (siehe Kasten). Im Frühjahr waren sie vom Untersuchungsrichteramt Emmental-Oberaargau zu Bussen verurteilt worden, die sie in der Folge ans Gericht weiterzogen.

An ihrer Gesinnung liessen die Band-Mitglieder – die einheitlich in dunklem Anzug, weissem Hemd und Krawatte vor den Richter traten – keinen Zweifel. Sie seien «Patrioten», «rechts denkend» und «eidgenössisch-sozialistisch», antworteten sie auf die diesbezügliche Frage des Richters. «Ich ordne mich politisch rechts aussen ein, als Patriot und stolzer Schweizer», erklärte der Bassist. Mit ihrer Musik wollten sie «die Bürger aufrütteln bezüglich der Probleme der Gesellschaft», sagte ein anderer. Es sei an der Zeit, dass die «Playstation-Generation» erwache, so Lüthard.

Schwammiger Rassebegriff

Immer wieder drehten sich die Fragen des Richters um die Rassenthematik, die in den Liedtexten ausgiebig zur Sprache kommt. «Wir wollen unsere Rasse erhalten und andere Völker abspalten», heisst es da etwa. In einem anderen Stück wird die «reine, weisse Schweiz» besungen, die von der «fremden Brut» befreit werden müsse. «Rassenvermischung ist Völkermord», heisst es wieder anderswo. Die Antworten auf Bählers Fragen nach dem Hintergrund solcher Phrasen liessen einige Unschärfen erkennen. So war gleichsam synonym vom «Schweizervolk», von der «europäischen Rasse», der «westeuropäischen Rasse», der «westeuropäischen Kultur» und der «westlich-europäischen Volksgruppe» die Rede, die vor dem Eindringen «Kulturfremder» geschützt werden müssten. Eine «Schweizer Rasse» gebe es nicht, räumte einer ein – im Grunde gehe es vielmehr um Kultur, Sprache, Erziehung und Religion.

Dabei bemühten sich alle vier, explizit wertenden – und damit gesetzwidrigen – Äusserungen über Angehörige anderer Kulturen auszuweichen. «Jedes Volk soll seinen eigenen Raum haben», sagte einer, «das hat nichts mit Herabsetzung zu tun.» Das «Schweizervolk» sei «nicht unbedingt mehr wert als andere – aber es ist etwas Schönes und etwas Gutes». Nicht alles Fremde sei «eine Brut und kriminell», fügte ein anderer hinzu – die betreffende Songzeile sei «vielleicht etwas unglücklich gewählt». Alle Rassen seien «selbstverständlich gleichwertig», sagte Lüthard. «Jedes Volk hat das Recht zu leben – aber jedes an seinem Platz.»

Getrieben vom «blanken Hass»

Nichtsdestotrotz: Zimperlich gehen die Indiziert-Rocker – die ihre Texte übrigens als «Gemeinschaftswerk» verstehen – nicht zu Werke. Sie seien vom «blanken Hass» getrieben, wollten «die böse Saat abschlachten» und «den Besatzern ohne Erbarmen den Garaus machen», heisst es in ihren Liedern. Solches sei halt «der Pfeffer, den man in die Suppe tut, wenn man provozieren will», versuchte sich einer zu rechtfertigen. «Wir sind eine junge Rockband», sagte ein anderer – da gehörten «gewisse übertriebene Ausdrücke» einfach dazu. Im Unterschied zu anderen Bands verfolgen die vier allerdings auch politische Ziele – worauf auch der CD-Titel «Marsch auf Bern» anspielt. Man wolle der «links-grünen Mehrheit» auf nationaler Ebene ein Ende machen, sagte einer. «Wir wollen die Macht an uns reissen und einen eidgenössisch-sozialistischen Staat aufbauen», führte Ideologe Lüthard aus. Darin, so ist den Liedtexten zu entnehmen, ginge es missliebigen Politikern, aber auch Homosexuellen, Journalisten und Anhängern der Antifa mit Gewalt an den Kragen.

Ein Urteil fällte Bähler gestern noch nicht. Es sei lediglich um eine «Auslegeordnung» gegangen, sagte der Richter. Die Hauptverhandlung werde erst später folgen.

So stehts im Gesetz

«Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft, wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind, (…) wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht, (…) wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft»: So lautet Artikel 261 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (Rassendiskriminierung). Zudem prüft das Gericht, ob sich die Mitglieder der Band Indiziert wegen öffentlicher Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit gemäss Artikel 259 des Strafgesetzbuchs strafbar gemacht haben.