Rechtsextremisten in Como

Wochenzeitung 18.1.2001

Die Schweizer Spur der «forza nuova»Die rechtsextreme italienische «forza nuova» hat am 10. Januar im grenznahenComo eine neue Zelle gegründet – mit tatkräftiger Hilfe aus der Schweiz.Manlio SforzaEs sind vielleicht dreissig. Einige sprechen kaum Italienisch. Zwei tragen tätowierteHakenkreuze auf ihren Armen. Die «Glatzen» haben sich am 10. Januar auf demCampo Garibaldi in Como versammelt, wenige Meter vom lokalen Fussballstadionentfernt. Zusammen mit etwa zwanzig Jugendlichen aus der Gegend gründen sie diegrösste italienische Zelle der neofaschistischen Gruppierung «forza nuova», die sichzum Ziel gesetzt hat, die Demokratie in Italien mit Gewalt zu stürzen. Es ist diejenigeGruppierung, deren Mitglied Andrea Insabato für den Bombenanschlag auf dieRedaktion der linken italienischen Tageszeitung «il manifesto» vom vergangenen22. Dezember verantwortlich ist (siehe WoZ Nr. 01/01).An der Versammlung in Como waren auffällig viele Schweizer anwesend. Anfragenum Mitgliedschaft bei «forza nuova» kamen aus Lugano, aber auch aus Zürich,Luzern, Frauenfeld und Schaffhausen. Die Schweizer Kameraden hätten dieAktivitäten ihrer Organisation viel stärker als erwartet finanziell unterstützt, verkündeteenthusiastisch der Verantwortliche für die Lombardei, Pierre Mauriello. Wegen dieserAussage will die Staatsanwaltschaft von Como nun prüfen, ob eine Untersuchung zuallfälligen Schweizer Finanzquellen der rechtsradikalen Gruppierung eröffnet werdensoll, die gekoppelt wäre mit einem bereits laufenden Ermittlungsverfahren derRömer Staatsanwaltschaft. Im Visier der Behörden steht das Vermögen von «forzanuova», das angeblich über 700 Milliarden Lire betragen soll (umgerechnet rund 550Millionen Franken), verwaltet von Luganeser und Liechtensteiner Treuhändern. DieUntersuchung befindet sich noch in der Anfangsphase. Vermutet wird, dassitalienische und Schweizer Unternehmer heimlich die rechtsradikale Gruppierungunterstützen, welche bei den italienischen Parlamentswahlen im April 2001 antretenwill – falls sie nicht vorher verboten wird.«Forza nuova» besteht noch nicht lange, ist aber in den letzten Monaten enormgewachsen. Bis August letzten Jahres zählte sie etwa 400 Mitglieder in ganz Italien.Bei der Versammlung in Como behauptete Mauriello – der übrigens Tessiner ist -,dass «forza nuova» inzwischen über 5000 Mitglieder habe. Das Bombenattentat auf«il manifesto» habe einen enormen «Werbeeffekt» gehabt: «Nach dieser erstenAktion von ethnischer Säuberung haben tausende von Kameraden beschlossen,aus der Anonymität herauszutreten und sich uns anzuschliessen», sagt er.In Italien laufen inzwischen Bestrebungen, «forza nuova» zu verbieten. Einentsprechendes Notgesetz kommt in diesen Tagen ins Parlament. Deshalbüberwachten am 10. Januar Polizisten die Versammlung, um bei allfälligenZwischenfällen einschreiten zu können. Tatsächlich fehlte nur wenig, dass dieSkinheads nach der Rede des charismatischen Leaders der «forza nuova», Mario DiGiovanni, eine Schlägerei mit der Polizei riskiert hätten. Die Gründe für die Existenzvon «forza nuova» legte Di Giovanni in seiner Rede folgendermassen dar: «Diebisherige Monopolpartei der Rechten (gemeint ist das neofaschistische MovimentoSociale Italiano, MSI, welches sich 1995 zu Alleanza Nazionale, AN, umbenannte,Anm. d. Red.) ist zur Regierungspartei avanciert. Damit hat sie die Träume deritalienischen Faschisten und Nationalsozialisten verraten, welche sich nach einemUmsturz des politischen Systems in Italien sehnen. Diese Partei trägt zusammen mitden anderen Regierungsparteien die Verantwortung für die Invasion von Ausländern,unter der Italien leidet. Wir haben ganz klare Aufgaben: Die Ausländer wenn nötig mitGewalt zu vertreiben und den grassierenden Kommunismus zu bekämpfen.»Nach den Motiven für ihren Beitritt zu «forza nuova» befragt, erklären zwei SchweizerJugendliche aus Lugano und Luzern: «Forza nuova» sei fähig, ethnischeSäuberungen auch in der Schweiz zu organisieren. Keine andere Organisation in derSchweiz habe die Kraft und den politischen Willen, diese Ziele klar zu verfolgen.Bewegungen der extremen Rechten wie beispielsweise Blochers SVP benutzten dieUnzufriedenheit der Rechten lediglich, um mit den Kommunisten und den anderenRegierungsparteien Verhandlungen zu führen. «Auch in der Schweiz kann dieerstickende Macht der Liberalen und Sozialdemokraten nur mit Gewalt gestürztwerden», sagen die Jugendlichen.Erste Aktionen in der Schweiz sind bereits geplant: So sollen die Schilder vonStrassen, welche Namen von Fremden tragen, mit Farbe beschmiert undAusländerInnen «einige schöne Streiche» gespielt werden.