«Offensichtlich fühlen sich Neonazis bei uns sicher»

20 minuten online: von B. Zanni – Politiker kritisieren scharf, dass in der Schweiz ein Neonazi-Konzert stattfinden konnte. Die Behörden müssten schneller handeln.

In der Gemeinde Unterwasser im Toggenburg ist einer der grössten Neonazi-Anlässe der Schweizer Geschichte über die Bühne gegangen. Tausende Neonazis marschierten am Samstagabend in der Tennis- und Eventhalle für ein Neonazi-Konzert auf. Der Gemeinde hatten die Veranstalter im Gesuch einen Anlass mit sechs Schweizer Nachwuchsbands vorgetäuscht.

Linke Politiker sind empört. SP-Nationalrat Cédric Wermuth twitterte: «Konzert mit 6000 Neonazis! Nachrichtendienst war wohl grad mit der Überwachung der 12 Burkas im Land ausgelastet.» Auch GLP-Nationalrat Beat Flach übt scharfe Kritik: «Wenn 6000 Neonazis unbemerkt vom NDB in der CH eine Versammlung organisieren und abhalten, stimmt was nicht!»

Konzert mit 6000 Neonazis! Nachrichtendienst war wohl grad mit der Überwachung der 12 Burkas im Land ausgelastet. https://t.co/ZwOu4rk8OE

— Cédric Wermuth (@cedricwermuth)

16. Oktober 2016

Ist der NDB unfähig, faul, dumm oder auf dem rechten Auge blind? Oder alles zusammen? https://t.co/7vMrxpbhjD

— Michael Sorg (@michsorg)

October 17, 2016

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) verteidigt sich: Der NDB habe gewusst, dass das Konzert stattfinde, und die Kantonspolizei St. Gallen entsprechend informiert, sagt Sprecherin Isabelle Graber. «Wir können nur Empfehlungen abgeben. Es ist jedoch nicht unsere Pflicht, zu entscheiden, ob ein Anlass stattfindet oder nicht.»

Polizei erfuhr zu spät vom Konzert Laut Gian Andrea Rezzoli, Sprecher der Kapo St. Gallen, ist die Polizei in ständigem Kontakt mit dem NDB. «Leider erfuhren wir zu spät vom Konzert, um es zu verhindern.» Die Bewilligungen für das Konzert hätten vorgelegen. «Nur die Gemeinde hätte die Veranstaltung vorgängig verbieten können.»

Die Politiker beruhigt das nicht. «Offensichtlich fühlen sich Neonazis in der Schweiz sehr sicher», sagt Cédric Wermuth. Neonazis müssten gesellschaftlich geächtet werden. «Viele Schweizer Behörden sind tendenziell auf dem rechten Auge blind.» Er fordert die Behörden auf, vor Ort einzuschreiten. Auch müsse die Polizei in solchen Fällen mindestens in die Halle gehen und protokollieren, damit allfällige Straftaten Folgen hätten. «Die Politik muss das klare Signal aussenden, dass wir in der Schweiz keine Neo-Nazi-Konzerte wollen.» Der Faschismus sei ein historisches Verbrechen, das in einer Demokratie nichts verloren habe.

«Wir müssen das Rennen gewinnen»

Auch Beat Flach sagt: «Damit die Schweiz nicht zum Tummelplatz der internationalen rechten Szene wird, müssen wir dieses Rennen gegen solche Veranstalter gewinnen.» Er fordert die Gemeinden auf, jedes Veranstaltungsgesuch genau zu prüfen und im Zweifel bei den kantonalen Behörden nachzufragen. «Im Internet sind solche Veranstaltungen schliesslich bereits bekannt.» Er hoffe, dass die Behörden durch das neue NDG wirksame Mittel erhielten, um entsprechende Gesuche zu verfolgen.

Es sei zu früh, den Behörden einen Vorwurf zu machen, sagt Gerhard Pfister (CVP). «Veranstaltungen von Neonazis sind so problematisch wie Aktivitäten von islamistischen Fundamentalisten.» Laut Pfister hat das Volk das neue NDG zur richtigen Zeit beschlossen. «Da der Nachrichtendienst künftig mehr Informationen sammeln darf, kann er solchen Extremisten das Handwerk legen.»