Muss das Neonazi-Treffen in Bern verboten werden? Ein anderer Kanton greift jetzt durch

Watson.

Die Partei National Orientierter Schweizer lädt Neonazis aus der ganzen Welt nach Bern ein. Die Politik stellt sich nun die Frage, ob solche Veranstaltungen verboten werden sollen. Der Kanton St. Gallen prescht nach Skandal-Konzert vor.

Die «Eidgenossen» laden ein: Am 1. Dezember will die rechtsextreme Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) in der Region Bern ihren Parteitag feiern. Nun stellt sich die Frage, ob solche Veranstaltungen geduldet werden sollen. 

Denn ein Blick auf den Pnos-Flyer zeigt: Eingeladen sind Politiker und Aushängeschilder der rechtsradikalen Szene aus der ganzen Welt. Sie vertreten rassistische Ideologien, liebäugeln mit braunem Gedankengut oder glauben an die «White Supremacy». 

Vorgeprescht ist jetzt der Kanton St. Gallen. Er will Veranstaltungen mit extremistischem Hintergrund in Zukunft verbieten. Die Gesetzesvorlage gehe jetzt in die Vernehmlassung, berichtete das Ostschweizer Radio FM1 diese Woche. Hintergrund ist das grösste Neonazi-Konzert, das in der Schweiz je über die Bühne ging. In der sankt-gallischen Gemeinde Unterwasser marschierten 2016 mehrere tausend rechtsradikale Musikfans auf. 

Im Kanton Bern gibt es kein solch explizites Verbot. Auf nationaler Ebene auch nicht. Zwar stellt das Schweizer Antirassismusgesetz unter Strafe, «wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft.» Doch um einen Neonazi-Anlass zu verbieten oder aufzulösen, reicht das nicht unbedingt. 

Denn es gilt das Recht der Versammlungsfreiheit. Rechtsextreme dürfen sich somit an einem Ort versammeln, verboten ist das nicht. Ausserdem umgehen die Organisatoren die Behörden oftmals unter dem Deckmantel einer privaten Veranstaltung. So auch beim Neonazi-Konzert in Unterwasser. 

Regierungsrat Fredy Fässler, Vorsteher vom St. Galler Sicherheits- und Justizdepartement, ist deshalb der Meinung, dass es eine spezifische gesetzliche Grundlage brauche, wenn man in Zukunft «auf Nummer sicher» gehen wolle. Mit der Anpassung des Polizeigesetzes soll eine Veranstaltung dann verboten sein, wenn sie «mit den demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen nicht vereinbar ist», sagte er gegenüber FM1. «Und der  Event die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt.»

Treibt Illegalität in Untergrund?

Der Präsident der sicherheitspolitischen Kommission, SVP-Nationalrat Werner Salzmann, ist wenig begeistert ob des geplanten St. Galler Verbots. Er kritisiert: «Mit einem regionalen Verbot werden Rechts- und Linksextreme nur über die Kantonsgrenzen hinaus verbannt.» 

Die Problematik müsse idealerweise entweder in der ganzen Schweiz gleich gehandhabt oder unterbunden werden. Salzmann spricht sich aber gegen ein nationales Verbot aus: «Werden solche Treffen per se illegal, dann wandern sie in den Untergrund und sind noch schwerer kontrollierbar.»

Der Berner Grünen-Grossrat Hasim Sancar hingegen begrüsst die Initiative der St. Galler Regierung: «Der Kanton St. Gallen setzt mit seiner Gesetzesvorlage ein wichtiges Zeichen: Rassistisches und menschenverachtendes Gedankengut wird hier nicht goutiert.» 

Ein explizites Verbot angesichts der geplanten Pnos-Veranstaltung müsse der Kanton Bern nun auch prüfen, fordert Sancar. Seiner Meinung nach könnten die Behörden solche Treffen aber eigentlich bereits mit der heutigen gesetzlichen Grundlage verbieten: «Sie müssten einfach entschiedener durchgreifen.» Auch bezüglich des anstehenden Pnos-Events sollten die Behörden nun aktiv werden und den Auftritt verhindern, sagt Sancar. 

Verantwortung liegt bei Gemeinden

Doch laut dem Berner Polizeigesetz liegt die Verantwortung bei den Gemeinden; sie müssten Gesuche um Veranstaltungen auf öffentlichem Grund beurteilen, also bewilligen oder ablehnen. Es  ist aber nicht publik, in welcher Berner Gemeinde sich die Rechtsextremen treffen wollen. Wie oft bei solchen Veranstaltungen wird der genaue Ort erst zu einem späten Zeitpunkt und auf Anmeldung bekanntgegeben. Bei Kundgebungen mit erhöhtem Sicherheitsbedarf haben die Gemeinden zudem die Pflicht, die Kantonspolizei vorgängig anzuhören.

Diese hat Kenntnis von der umstrittenen Veranstaltung im Dezember. Doch ob sie weiss, wo das Event stattfinden und wie sichergestellt werden soll, dass die Tagung nicht eskaliert, will die Kapo nicht verraten. «Nicht zuletzt auch aus taktischen Gründen», sagt Sprecherin Jolanda Egger. Erfahre die Kantonspolizei aber von Veranstaltungen, so nehme sie grundsätzlich eine Beurteilung vor und beobachte allfällige Entwicklungen. Sollte es nötig sein, würden weiterführende Massnahmen geprüft und allenfalls auch ergriffen.