Morgen beginnt in Burgdorf das Gassenfest. Stapi Franz Haldimann blickt dem Anlass mit einem «guten Gefühl» entgegen

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– obwohl er weiss, dass in der Emmestadt die Angst vor Gewalt umgeht. *Astrid Tomczak-Plewka Ein fröhliches, farbiges Fest soll es werden, das Burgdorfer Gassenfest: Von dieser Absicht zeugen bereits seit Montag rund vierzig kleine und grosse Gemälde in den Schaufenstern der Oberstadt. Kleine Kunstschaffende aus Schule und Kindergarten haben gemäss dem Festmotto «Qunst» zu Farbe und Pinsel gegriffen. Maxe Sommer wird diese Werke am Sonntag zu Gunsten des Gassenfestes versteigern. Die Vorbereitungen laufen also auf Hochtouren, und viele freuen sich aufs Fest. Trotzdem: Ein ungewisses Bangen ist fast allgegenwärtig: Kommt es am Wochenende zu Ausschreitungen zwischen Jugendlichen verschiedener politischer Strömungen? Für den Burgdorfer Stadtpräsidenten Franz Haldimann ist klar: «Ich habe keine Angst. Stadt und Polizei haben alle Vorkehrungen getroffen, damit das Fest in Ruhe stattfinden wird. Ich gehe mit einem sehr guten Gefühl an dieses Fest.»

«Angst ist weit verbreitet»
Dieses Gefühl ist nicht selbstverständlich. Denn der Stapi musste in den letzten Wochen auch zur Kenntnis nehmen, dass in der Emmestadt die Angst vor Gewalt umgeht. Nach den Ausschreitungen im Anschluss an die Solätte rief der Stapi eine Sprechstunde für Betroffene ins Leben. «Ich hatte bis jetzt rund 15 bis 20 Kontakte, und es melden sich immer noch Leute bei mir.» Ob dies viel sei, könne er nicht beurteilen. «Ich mache zum ersten Mal so etwas.»
Jugendliche und Erwachsene, Beteiligte und Unbeteiligte hätten die Gelegenheit benützt, ihre Besorgnis beim Stapi zu deponieren. «Ich habe die Angst gespürt und bin erschrocken, wie weit verbreitet diese ist.» Besonders überrascht habe ihn die Tatsache, dass er und die Stadt nicht früher auf diese Ängste aufmerksam geworden seien. «Ich habe gemerkt, dass ich zu wenig an der Basis bin – obwohl ich immer im Kontakt mit Lehrkräften und auch mit Schülern bin.» Aus diesen Kontakten ist eine Kampa-gne entstanden: Zu Beginn des neuen Schuljahres haben die Lehrer am Gymnasium Burgdorf von ihrem Rektor den Auftrag erhalten, den Rechtsextremismus verstärkt zu thematisieren. Denn Haldimanns Gespräche mit Jugendlichen und der Polizei haben gezeigt, dass auch das Gymnasium nicht von «rechtem Gedankengut» frei ist. Allerdings relativiert Haldimann. «Extreme Tendenzen waren schon immer vorhanden. Jetzt sind sie einfach wie ein Pickel aufgebrochen.» Eines betont der Stapi nachhaltig: «Nicht nur die rechten Gruppen sorgen für Unruhe. Es gibt sicher auch Linksextreme.»

Konsequenzen gezogen
Welche Massnahmen der Gemeinderat ergreifen will, ist noch nicht publik. Haldimann stellt für nächste Woche Informationen in Aussicht. Die Behörden werden sich aber noch länger mit dem Solätte-Geschehen auseinander setzen: Ende November soll der zuständige Gemeinderat Willy Michel das Parlament über Massnahmen informieren. Derweil haben sich Stadt- und Kantonspolizei fürs Wochenende gerüstet: Mit einem «verstärkten Sicherheitspositiv» wollen sie dafür sorgen, dass die Bevölkerung ein «störungsfreies und fröhliches Fest» feiern kann. Jetzt muss nur noch Petrus seinen Teil zum Gelingen beitragen: «Bitte drücken Sie uns die Daumen: Wir sind dringend auf gutes Wetter angewiesen», schreibt der Verein Kulturfest Oberstadt. Mal sehen, ob sich die Sonne dadurch beeindrucken lässt …* © by BernerZeitung BZ 1999 all rights reserved