Infoabend zu Transitplatz abgesagt

Bieler Tagblatt. Die Emotionen um den Transitplatz für ausländische Fahrende gehen hoch, entsprechend gross wäre das Polizeiaufgebot am geplanten Infoabend geworden. Zu teuer, findet der Gemeinderat – und verzichtet auf den Anlass.

Übers Wochenende haben sich die Ereignisse rund um den geplanten Transitplatz für ausländische Fahrende in Wileroltigen überschlagen. Erst musste das gegnerische Bürgerkomitee nach rassistischen Kommentaren seine Facebook-Seite vom Netz nehmen. Dann rissen Unbekannte die Plakate zu Boden, die den Unmut des Dorfes zu den Plänen des Kantons kundtaten. Anti-SVP- und 031er-Schmierereien schürten in rechtsbürgerlichen Kreisen sofort die Vermutung, hier seien linksextreme Gruppierungen aus dem Umfeld der Berner Reithalle am Werk gewesen.

Zu hohe Kosten

In dieser aufgeheizten Stimmung trat der Gemeinderat am Montagabend zu einer gemeinsamen Sitzung mit dem Bürgerkomitee zusammen und beschloss «einstimmig», wie Gemeindepräsident Christian Grossenbacher gestern vor den Medien betonte: Der für den nächsten Montag geplante Infoanlass zum Transitplatz findet nicht statt. Sämtliche Redner, unter ihnen der für das Dossier verantwortliche SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus, werden ausgeladen.

Den Ausschlag gaben allem voran die gehässigen Einträge auf der Facebook-Seite. Grossenbacher sprach zuerst von «Trittbrettfahrern, die uns nicht gefallen», sagte dann: «Wir mussten damit rechnen, dass verschiedene Gruppen auf dem Platz auftauchen werden, die einander nicht freundlich gesinnt sind.» Entsprechend umfangreich und teuer wäre das Sicherheitsdispositiv geworden. «Diese Kosten hätten wir als kleine Gemeinde mit gerade mal 380 Einwohnern nicht tragen können.»

Konkrete Zahlen nannte Grossenbacher keine. Auf Nachfrage tönte er lediglich an, dass sie die 20 000 Franken, die der Gemeinderat gemäss Reglement in eigener Kompetenz bewilligen könne, mit ziemlicher Sicherheit überschritten hätten.

Komiteepräsident Armin Mürner appellierte an die anwesenden Medienvertreter, die Absage auch wirklich breit publik zu machen. Man habe mit Flyern im grossen Stil für den Anlass mobilisiert und erreiche all die Leute gar nicht mehr. Es wäre schade, wenn am nächsten Montag Leute vergeblich anreisen und dies erst vor Ort und entsprechend enttäuscht feststellen würden, sagte er.

BDP-Grossrat Daniel Schwaar, auch er im Widerstand aktiv, markierte derweil Kampfwille. «Wir werden uns mit allen Mitteln dafür einsetzen, dass der Platz nie kommt.» Man könne das Problem mit den ausländischen Fahrenden nicht einfach auf eine kleine Gemeinde wie Wileroltigen abwälzen. Dafür brauche es ein nationales Konzept.

Die vielleicht 50 bis 60 Plätze, die in Wileroltigen entstehen sollen, werden laut Schwaar ohnehin nie ausreichen. Das sah Mürner genauso: Die Zahl der ausländischen Fahrenden nehme Jahr für Jahr zu. Da bringe das Projekt in Wileroltigen wenig – und allgemein: Wenn die Schweiz Gegensteuer geben wolle, müsse sie wohl das Gesetz ändern.

Schwaar kündigte eine intensive Lobbyarbeit an, redete weiter von Vorstössen, die er als kantonaler Parlamentarier eventuell einreichen werde. Thematisch legte er sich allerdings noch nicht fest. Umso klarer kündigte er an: Er werde das Thema auf die Ebene der Regionalkonferenz hieven.

Auf sie setzt auch Grossenbacher. Sein Dorf habe in den vergangenen drei Wochen dem Kanton in aller Deutlichkeit gezeigt, «dass es so nicht geht». Bisher sei die Meinung der Gemeinde gar nicht gefragt gewesen, «uns blieb nichts anders übrig, als zu toben und so auf uns aufmerksam zu machen». Wenn der Platz auf regionaler Ebene diskutiert werde, sei das anders. «Da können wir auf Augenhöhe mitdiskutieren», und: Im Rahmen der Regionalkonferenz müssten sich auch Gemeinden mit dem Thema befassen, die bisher noch nicht betroffen gewesen seien.

Günstige Alternative

Regierungsrat Neuhaus nahm die Absage ohne weiteren Kommentar zur Kenntnis. Gleichzeitig betonte er, dass er den Kontakt zu den Wileroltiger Behörden aufrechterhalten werde. In der Sache rückte er nicht von seinem Standpunkt ab: Der Kanton werde prüfen, ob sich das Areal an der Autobahn als Transitplatz für ausländische Fahrende eigne. Das sei seine Aufgabe; immerhin habe ihm der Bund als Eigentümer das Areal genau zu diesem Zweck angeboten.

Neuhaus erinnerte bei dieser Gelegenheit an die Grossratsdebatte vom vergangenen September. Das Parlament sagte damals Nein zu einem ersten Projekt auf Boden der Gemeinde Meinisberg. Es fand, die Kosten seien zu hoch, und forderte eine günstigere Alternative für den geforderten Transitplatz.

Polizei und Behörden

Der Druck auf die Fahrenden steigt

Die Polizei verteilt Bussen, und die Behörden wollen eine Räumung durchsetzen: Die Fahrenden sollen Wileroltigen endlich verlassen.

Er verstehe einfach nicht, wieso Schweizer härter angefasst würden als ausländische Fahrende, sagte Armin Mürner gestern vor den Medien. Im Visier hatte der Präsident des gegnerischen Bürgerkomitees die Roma-Gruppen, die das Areal des geplanten Transitplatzes schon mal in Beschlag genommen haben. Dass diese die Landschaft als Freilufttoilette nutzen, sorgt in Wileroltigen nach wie vor für Ärger: «Wenn einer von uns in den Lauben in Bern seine Blase leert, muss er 90 Franken Busse zahlen», polterte Mürner. Dass die Fahrenden Tag für Tag in gleicher Art straffällig würden, interessiere dagegen niemanden.

Nur – ganz korrekt ist diese Feststellung nicht. Die Polizei verteile sehr wohl Busszettel, und das nicht zu knapp, erklärte Gemeindepräsident Christian Grossenbacher auf Nachfrage. Seis, dass ein Auto im hohen Gras steht, seis, dass ohne Vorsichtsmassnahmen unter freiem Himmel an Fensterläden gearbeitet wird – doch die Fahrenden, so Grossenbacher weiter,
zahlten die Strafen anstandslos. Genau das sei das Problem: «Bussen scheinen sie nicht zu beeindrucken.»

Mit einem Blick in die Zukunft markierte Grossenbacher Härte. Die Behörden arbeiteten «mit grossem Druck» darauf hin, dass die Roma-Gruppen das Areal endlich verliessen. Man ziehe nun «alle Register», werde sie schriftlich abmahnen, ihnen auch Fristen setzen und diese anschliessend «knallhart durchsetzen». Sollte alles nichts nützen, werde man auch vor dem letzten Schritt nicht zurückschrecken und das Gelände räumen lassen.