Es war ein blödes Wort

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Ruedi Helbling. Hatten sie zu Beginn der Strafuntersuchung noch erklärt, der Ausdruck „Tamil-Touristen“ sei nur wegen eines telefonischen Missverständnisses versehentlich gedruckt worden, sagte Fredi Kriftner vor Gericht: „Es war ein blödes Wort.“ Er sei allerdings überzeugt, dass dieseFormulierung nicht strafbar sei. Andernfalls wäre es in Zukunft kaum mehr möglich, politisch zu argumentieren.

Noch nicht entschieden
Das Bezirksgericht St. Gallen war anderer Ansicht. Der Begriff „Tamil-Touristen“ erfülle im erwähnten Zusammenhang den Tatbestand derRassendiskriminierung. Es verurteilte die beiden AutoPartei-Politiker zu einer Busse von je 500 Franken, hinzu kommen Gerichtskosten von 2500Franken. Ob die beiden das Urteil weiterziehen, liess Kriftner am Dienstag offen. Man wolle zuerst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. RuediHelbling erklärte, am meisten ärgere ihn, dass er jetzt mit Leuten wie Marcel Strebel in den gleichen Topf geworfen werde. Er sei absolut kein Rassist.

Das Urteil des St. Galler Bezirksgerichtes ist aus zwei Gründen von Bedeutung. Es ist – soweit bekannt – das erste Urteil eines Gerichtes zurRassismus-Strafnorm, die seit dem 1. Januar 1995 in Kraft ist. Einzig die Jugendanwaltschaft Uster hatte im August 1995 einen Lehrling mit 14 TagenSozialdienst bestraft, weil er unter anderem den Spruch „Wir kriegen euch alle, ihr ScheiSSkanaken“ auf eine Bank gesprayt hatte.

Interessant ist aber auch, dass ausgerechnet das Bezirksgericht St. Gallen dieses erste Urteil gefällt hat. Erst kürzlich hatte in St. Gallen nämlich der Falldes Arztes Walter Fischbacher Aufsehen erregt: Der zuständige Untersuchungsrichter hatte die Einstellung eines Verfahrens gegen Fischbacherangekündigt und argumentiert, dessen abstruse Theorien von einer jüdischen Weltverschwörung seien nicht rassendiskriminierend.

Orientierungshilfe
Die Staatsanwaltschaft, die im Fall Fischbacher mit Kopfschütteln reagiert hatte, begrüsst das Urteil gegen die beiden Auto-Partei-Politiker. DerSchuldspruch sei materiell richtig und diene als Orientierungshilfe für die weitere Arbeit im Bereich der Rassismus-Strafnorm, erklärt Staatsanwalt DanielBlumer. Zufrieden ist auch der Zürcher Anwalt Sigi Feigel, der mehrere Strafverfahren wegen Rassendiskriminierung in die Wege geleitet hat. DieVerurteilung zeige, so Feigel, dass man in Zukunft nicht bedenkenlos Gruppen, die durch das Antirassismus-Gesetz geschützt seien, mit Schlagwortendiskriminieren dürfe.

(hr/SDA/AP)