Droht Sempach ein Rütli-Chaos? Neuer Rekordaufmarsch? «Sehr problematisch»

BernerZeitung

Michael Widmer

Rechtsextreme machen mobil – Morgen Samstag findet in Sempach die 622.Schlachtgedenkfeier statt. Es ist mit einem Rekordaufmarsch von Rechtsextremen zu rechnen. Der Kanton Luzern gibt sich gelassen. Ein Szenekenner sorgt sich um die Zukunft des Festes.

Die Mobilisierungskampagne für den Anlass läuft seit Wochen. Bei der Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) ist sie im Internet mit einem Filmchen versehen. Gezeigt werden Aufnahmen der Sempacher Schlachtfeier vom letzten Jahr. Dutzende Parteigänger und Sympathisanten marschieren ? teils mit Fahnen in der Hand ? die Strasse hinauf zum Denkmal von Winkelried. «Wir treffen uns, um der Helden von Sempach zu gedenken», heisst es am Ende des Werbespots.

Ein Aufruf, der dem Luzerner Hans Stutz Sorgen macht. Der Kenner der rechten Szene stuft die Pnos als «zweifellos rechtsextremistische Partei» ein. Stutz prophezeit: «Im letzten Jahr nahmen rund 150 Leute aus der rechten Szene an der Sempacher Feier teil. In diesem Jahr werden so viele kommen wie noch nie.» Es sei für die extreme Rechte heute schwieriger, aufs Rütli zu kommen. Nachdem Festredner Bundesrat Samuel Schmid im Jahr 2005 von mehreren hundert Rechtsextremen unterbrochen und mit Pfiffen eingedeckt worden war, beschloss die Gemeinnützige Gesellschaft, ein Ticketsystem und Zutrittskontrollen einzuführen. Die Schlachtfeier ist hingegen für alle offen. «Sempach wird so zur Rütli-Alternative», ist Stutz überzeugt. Die rechte Szene habe seit einigen Jahren die Tendenz, nationalistische Feiern wie auf dem Rütli, in Sempach, bei Morgarten oder in Näfels zu vereinnahmen.

Urs Hangartner gibt sich dennoch gelassen. Er ist Informationschef des Kantons Luzern, der den Anlass organisiert. Hangartner ist seit 19 Jahren bei der Planung für das Fest dabei und sagt: «Vor fünf Jahren waren Rechtsextreme bei uns kein Thema. Natürlich haben wir keine Freude an dem Aufmarsch. Aber wir können diesen nicht verhindern.» Da das Gelände öffentlich sei, seien auch alle Interessierten willkommen. «Wir erwarten, dass sich die rechtsextremen Leute wie die letzten Jahre anständig verhalten. Das haben wir ihnen deutlich mitgeteilt.» Gleiches gelte allenfalls für Linksextreme und andere Festbesucher. Werde gegen die Regeln verstossen und der Anlass in irgendwelcher Form missbraucht, werde eingegriffen. Details nennt Hangartner nicht. Er hält aber fest:

«Die Polizei ist auf einen Grossaufmarsch vorbereitet.»

Pnos-Vertreter waren gestern für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Im Internet impft die Organisation ihren Sympathisanten aber ein: «Wir erwarten ein korrektes Benehmen von allen Teilnehmenden.»

Trotzdem bezeichnet Hans Stutz das Verhalten des Kantons Luzern als «sehr problematisch». Die Organisatoren schauten einfach weg. «Analog zum Rütli wird Sempach in ein paar Jahren massive Probleme bekommen, wenn die Rechtsextremen den grössten Teil der Anwesenden ausmachen», glaubt er.

Die Luzerner Organisatoren seien nicht naiv, betont Urs Hangartner. Rütli-Szenarien habe man berücksichtigt. Der Kanton Luzern setze in Sempach aber auf Deeskalation. Sollte diese Vorgehensweise nicht fruchten, gibt es für Urs Hangartner nur eines: «Dann müssen wir mit der Schlachtfeier aufhören.»

Die Schlacht bei Sempach fand am 9.Juli 1386 statt. Sie gilt in der Geschichte der Schweiz als Höhepunkt des Konfliktes zwischen den Habsburgern und den Eidgenossen. Die Schlacht endete mit einen Sieg für die Eidgenossenschaft.