Braune Eskalation verhindert

NeueLuzernerZeitung

Einen faden Beigeschmack hinterlässt die Bundesfeier in Brunnen. Zwischen 600 und 800 Rechtsextreme beteiligten sich an einer nicht bewilligten Demonstration.

VON ERHARD GICK

Der braune Filz marschierte gestern durch Brunnen. Die Polizei sprach offiziell von rund 600 demonstrierenden Rechtsextremen, die nach der Rütlifeier grölend und ausländerfeindliche Sprüche klopfend vom Quai durch die Bahnhofstrasse zogen. «Es hat sich bezahlt gemacht, dass sich die Polizei passiv im Hintergrund gehalten hat. Ich bin mit der Arbeit der Einsatzkräfte zufrieden», sagte Polizeikommandantin Barbara Ludwig. Die Polizei habe sich bewusst im Hintergrund gehalten, um Provokationen zu verhindern. «Oberstes Gebot unseres Einsatzes war die Verhältnismässigkeit, und wir mussten an die vielen anderen Festbesucher denken», so Ludwig weiter. Ziel sei es gewesen, die Meute möglichst schnell aus Brunnen hinauszuschleusen.

Spezialeinsatzkräfte vor Ort

Die Polizei mochte gestern keine Zahlen zu den Einsatzkräften bekannt geben. «Zu den strategischen Mitteln der Polizei äussern wir uns nicht», sagte denn auch Polizeisprecher Florian Grossmann. Tatsache ist, dass mehrere hundert Polizisten in Brunnen aufmarschiert waren. Spezialfahrzeuge, ein Wasserwerfer, ein polizeilicher Überwachungshelikopter (unbestätigt) und Polizisten mit Tränengaspistolen standen zum Einsatz bereit. Weitere Grenadiere der Stadtpolizei Zürich sowie des Kantons Zürich und des Polizeikonkordats der Zentralschweiz, mit Schlagstöcken und Schutzschildern ausgerüstet, gelangten allerdings erst beim Bahnhof Brunnen zum Einsatz, als es darum ging, die Demonstranten auseinander zu treiben, die Reden abhalten wollten.

Anzeigen eingegangen

Gemäss Polizeisprecher Florian Grossmann gab es beim Bahnhof Brunnen aber keine Zwischenfälle mehr. Die Menge löste sich nach einer kurzen Ansprache nach und nach auf.

Barbara Ludwig bestätigte gestern gegenüber unserer Zeitung, dass bei der Polizei mehrere Anzeigen eingegangen sind. «Taktisch war es vernünftiger, Anzeigen entgegenzunehmen, als 600 Personen von einer unbewilligten Demonstration abzuhalten», so Ludwig weiter. Klartext sprach gestern Ingenbohls Gemeindepräsident Urs Koller: «Das waren über 800 Rechtsextreme, davon bin ich überzeugt.» Koller atmete nach der Kundgebung auf. Das Ganze sei einigermassen glimpflich abgelaufen. Obwohl er von einigen erbosten Zaungästen Kritik erfahren musste, erhielt er grösstenteils bestätigt, die richtige Taktik für die gewaltbereiten rechten Demonstranten angewandt zu haben. Aber, «Ich habe langsam genug, dass unsere Gemeinde für ein nationales Problem jedes Jahr den Kopf hinhalten muss», sagte Gemeindepräsident Urs Koller gestern doch etwas resigniert.

Tätliche Angriffe

Bei ihrem Marsch durchs Brunner Dorf skandierten die Rechtsextremen nationale Parolen und forderten lauthals «Ausländer raus» oder «Hier marschiert der nationale Wiederstand». Dabei erwiesen sich die Rechtsextremen als enorm gewaltbereit. Der Funke, der die Lunte gezündet hätte, blieb aber glücklicherweise aus.

Gemäss Augenzeugen wurde bereits beim Quai ein Jugendlicher verprügelt. Auf dem Weg zum Bahnhof folgte dann ein weiterer Gewaltakt, diesmal gegen einen Pressefotografen, der kurzerhand niedergeschlagen wurde. Auch Glasflaschen und Steine wurden geworfen. «Trotz allem bin ich froh, dass es den Verhältnissen entsprechend ruhig abgelaufen ist», sagte Urs Koller, und es werde jedes Jahr schlimmer.

«Jetzt muss auf höchster politischer Ebene etwas geschehen, Entscheide müssen fallen. Es geht nicht mehr, dass unsere Gemeinde zum Spielball einer unfähigen Politik verkommt.»