Böse Überraschung für böse Jungs

«Bund Oberland» enttarnt – personelle Überschneidungen mit der PNOS

Die Aktivisten des «Bund Oberland» haben die Neonaziszene mit Agitationsmaterial und CDs versorgt, eine Website mit aggressivsten rassistischen Inhalten unterhalten – und sie blieben dabei lange Zeit unerkannt. Eine antifaschistische Hackergruppe hat Ende September 2006 das Geheimnis um den Bund gelüftet: PNOS-Kaderleute sind’s, welche die übelste Neonazi-Propaganda verbreiteten.

 

Über ein Jahr lang gab der «Bund Oberland» Rätsel auf: Die klandestin agierende rechtsextreme Kleinst-Organisation verfügte über die stark ausgebaute Website «www.bundoberland.info» und verteilte im Berner Oberland Flugblätter, teils mit rassistischem und antisemitischem Inhalt. Der Bund sammelte Geld für einen bekannten deutschen Holocaust-Leugner und bot Holocaust leugnende Literatur an. Und er sorgte mit dem Vertrieb zweier «Schulhof»-CDs für Aufsehen: So verbreitete er eine Wahlkampf-CD der deutschen NPD und den vom US-amerikanischen Neonazi-Musiklabel «Panzerfaust Records» produzierten «Schoolyard»-Sampler. Seit Anfang 2006 wurde die Internetpräsenz des Bundes merklich zurückgefahren.

Selbst ernannte Vorreiter

Die «Bund Oberland»-Mitglieder fielen durch eine gewisse Belesenheit auf – zumindest was die NS-Literatur anbelangt. So markierte etwa der Name «Bund Oberland» nicht nur ihr Revier, sondern war auch eine Anspielung auf ein ehemaliges Freikorps: Der historische «Bund Oberland» war in der Anfangsphase der Weimarer Republik ein zur Schwarzen Reichswehr zählender Wehrverband, der ab 1921 den Kern der SA in Bayern bildete. In der Avantgarde-Rolle gefielen sich auch die Oberländer Aktivisten, die gar nichts von pöbelnden Naziskins – O-Ton: «Gesindel und Gesocks» – hielten: «Der Bund Oberland will keiner subkulturellen Szene zugehörig sein, sondern will mit seiner Agitation eine Volksbewegung ins Leben rufen, die den Fall des gegenwärtigen Systems zum Ziel hat.»

Nicht zuletzt gelang es den «Bund Oberland»-Leuten, die in einschlägigen Internet-Foren unter den Pseudonymen «Beoberland18» («18» ist ein Codeausdruck für «Adolf Hitler») und «Wille» eifrig mitdiskutierten, unbekannt zu bleiben. Die Kantonspolizei Bern, welche seit dem Herbst 2005 gegen die Organisation ermittelte, tappte im Dunkeln: Trotz Nachforschungen – auch im Ausland – konnte sie die Betreiber der Website nicht eruieren. In diversen Medienberichten wurde dem «Bund Oberland» eine gewisse Nähe zur PNOS attestiert, es blieb aber bei vagen Vermutungen.

Aus den Tiefen des Webs gefischt

Bis zum 26. September 2006: An diesem Tag präsentierte eine bislang nicht in Erscheinung getretene Hackergruppe namens «Antifaschistisches Webkollektiv» die beiden «Bund Oberland»-Köpfe auf dem Serviertablett: Den 23-jährigen Spiezer Mario Friso und den 21-jährigen Michael Haldimann aus Unterseen. Während Wochen hatte das Hackerkollektiv die persönlichen E-Mails von Mario Friso sowie den Mailverkehr von «bundoberland.info» mitgelesen.

Die Enttarnung kam für die beiden Rechtsextremisten zu einem höchst ungünstigen Zeitpunkt: Knapp zwei Monaten zuvor, am 1. August, hatten sie anlässlich einer Grillparty in einer Waldhütte bei Unterseen die PNOS-Sektion Berner Oberland aus der Taufe gehoben und gleich selbst die wichtigsten Ämter besetzt: Mario Friso ist Vorsitzender der Sektion, Michael Haldimann, seines Zeichens auch Sekretär der nationalen PNOS und Redaktor des PNOS-Blatts «Zeitgeist», sein Vize. Der PNOS-Ableger am Fuss von Eiger, Mönch und Jungfrau stellt kaum eine Überraschung dar, zumal mit Manuel Prantl (Website-Betreuer) und Adrian Spring (Verwalter) zwei weitere PNOS-Kaderleute in der Region wohnen.

Im September startete die junge Sektion eine eigentliche Werbe- und Rekrutierungsoffensive: In Gwatt, Einigen, Spiez und Unterseen hat sie – zusammen mit dem jüngst entrümpelten PNOS-Parteiprogramm – mehrere tausend Exemplare eines mit viel Pathos abgefassten, von Schollenverbundenheit triefenden Manifests in die Briefkästen gesteckt und an Passanten verteilt. Eine kleine Textprobe: «Das Oberland soll als leuchtendes Beispiel vorangehen und den Umsturz einläuten. Für ein freies Oberland, für ein freies Helvetien.» Das Berner Oberland als Wiege eines fundamentalen Politikwandels – Friso, Haldimann & Co. auf Schmusekurs.

Der entlarvende Blick hinter die Kulisse

Was das «antifaschistische Webkollektiv» an Fakten auf den Tisch legt, ist starker Tobak – und peinlich für die «nette Jungs» mimenden PNOS-Exponenten. Im O-Ton: «Mario Friso ist die verantwortliche Person von ‚bundoberland.info’, welche unter dem Pseudonym ‚Nadine G.’ Geschäfte mit Naziartikel betrieb und Korrespondenz mit allen möglichen Leuten unterhielt.» So pflegte er per Mail Kontakte zu international bekannten Neonazis, unter anderem zum Thüringer Aktivisten Thomas «Ace» Gerlach. Das Mitglied des «Kampfbund Deutscher Sozialisten» (KDS) und der «Nationalen Sozialisten Altenburger Land» ist ein Vertreter der «Querfronten»-Bewegung. Auch Friso, der als Teenager Aktivist des antifaschistischen «Bündnis Alle gegen Rechts!» war, hegt Sympathien für diese Strömung der Neuen Rechten, welche sich bemüht, (ehemalige) Linke als «sozialistisch-nationalistische Kader» zu werben. Auf Einladung Frisos war Gerlach am 17. September Gast am PNOS-Parteitag in Wauwil (LU).

Von besonderer Brisanz ist eine E-Mail, welche Mario Friso am 25. Juli, also wenige Tage vor der Sektionsgründung und dem «Coming Out» als Vorsitzender, an Alex Rohrbach, Gitarrist der Burgdorfer Nazi-Rockband «Indiziert», sandte: «Willst du unseren CD-Koffer? Ist ausnahmslos alles drin. Deutsche und Amisachen. Armbinden, Fahnen, Kleber, Hefte und Broschüren. Wir wären froh, wenn wir das Zeug so schnell wie möglich loswerden. Geld wollen wir nicht dafür. Bleibt ja unter uns.» Michael Haldimann übergab den Koffer an einer PNOS-Sitzung Dominic «Gixu» Lüthard, «Indiziert»-Sänger und erfolgloser PNOS-Kandidat bei den Gemeinderatswahlen vom 29. Oktober in Roggwil, welcher das offensichtlich strafrechtlich relevante Material schliesslich Rohrbach zukommen liess. Ein Stafettenlauf, bei welchem (fast) alle aktuellen Berner Naziszene-Grössen ihre Hände im Spiel hatten.

Unangenehm ist die erfolgreiche Hacker-Aktion auch für Michael Haldimann. Mehrere E-Mails legen offen, wie stark dieser in die «Bund Oberland»-Geschichte involviert war: Als Rechnungsadresse wurde des Öfteren die private Anschrift von Michael Haldimann verwendet.

PNOS: Schweigen und aussitzen

Die PNOS, welche in den letzten Monaten fleissig Imagepolitur betrieben hat, wird durch die wenig schmeichelhaften Mail-Interna einmal mehr in ein schiefes Licht gerückt. Für gewöhnlich nicht gerade mundfaul, hat die Partei bis heute kein offizielles Statement zu den Enthüllungen abgegeben. Mario Friso seinerseits musste sich unangenehmen Journalistenfragen stellen, der plötzliche Medienrummel um seine Person – allein die Zeitung «Bund» widmete der Hack-Story einen ganzseitigen Artikel – dürfte ihm schlaflose Nächte bereitet haben. Mit spitzfindigen Antworten – «Die Mails beweisen nur, dass von meinem PC aus gemailt wurde – aber nicht von wem.» – und offensiver Information – «Als Parteiexponent macht es keine gute Falle, wenn, sagen wir mal bei einer Hausdurchsuchung, so ein Zeugs zum Vorschein kommen würde.» – versuchte er, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Gleich mehrere Zeitungsspalten wert war der Presse Mario Frisos Gesinnungswandel vom Antifa-Aktivisten zum PNOS-Kader. Der «Bund» titelte: «Radikalismus gebiert mitunter eigentümliche Karrieren: Parteichef der Oberländer Rechtsextremisten war Antifa-Autonomer in Bern.» Und schuf flugs einen «Horst-Mahler-Effekt»: «So selten ist die Wandlung vom Genossen zum ‚Volksgenossen’ auch nicht. … Auch die 68er-Generation kennt schwindelerregende Fälle von Seiten- und Frontenwechsel: Erinnert sei nur an den deutschen Anwalt Horst Mahler, einst Mitbegründer der linksterroristischen RAF – und heute Mitglied der deutschen NPD.» Die «Berner Zeitung» ihrerseits fragte: «Was ist geschehen, dass ein früheres Mitglied der extremen Linken zum ehemaligen Feind Nummer 1 übergelaufen ist?» Um sogleich eine dümmliche Erklärung nachzuliefern: «Die Inhalte sind bei Links- und Rechtsextremen über weite Strecken ähnlicher, als ihnen lieb ist. So wollen beispielsweise beide Natur, Umwelt und Tiere schützen, sie sind antikapitalistische Globalisierungsgegner und gegen den Handel mit Kriegsmaterial.»

Stell dir vor, die PNOS ruft zur Kundgebung auf – und (fast) niemand geht hin

Für den 16. Dezember 2006 rief die PNOS zu einer Platzkundgebung gegen «kulturfremde Bauten» in Langenthal auf. Der Protest in der örtlichen Gewerbezone richtete sich gegen das geplante Minarett. Die Neonazis blieben unter sich: Nur knapp 100 PNOS-Mitglieder und Naziskins wollten sich die «volksnahe, aber doch kämpferische Rede» von Stefan Wüthrich, Vorsitzender der PNOS-Ortsgruppe Langenthal, und das «beherzte und mitreisende» (O-Ton PNOS) Votum von Dominic Lüthard, Sänger der Rechts-Rock-Band «Indiziert», zu Gemüte führen. Neben Hammerskin-Boss Adrian Segessenmann und «Indiziert»-Gitarrist Alex Rohrbach gaben sich auch zwei ehemalige PNOS-Leaderfiguren ein Stelldichein: Ex-PNOS-Chef Jonas Gysin und der Ex-Stützpunktleiter der Berner Sektion, Pascal Lüthard.

Die PNOS hat ihre Kundgebung in einer Medienmitteilung als «vollen Erfolg» abgebucht. Das ist pure Schönfärberei: Das Mobilisierungspotenzial der Neonazipartei ist nach wie vor gering – im Vorfeld hatte sich selbst das rechtsbürgerliche Komitee «Stopp Minarett» vom PNOS-Anlass distanziert und die Partei der Trittbrettfahrerei bezichtigt. Und am Tag der Kundgebung stahlen ihnen rund 100 AntifaschistInnen mit einer Spontandemonstration «Gegen Nazis – immer und überall!» die Schau (siehe «was bisher geschah»).