behält die Rechtsradikalen im Auge.

Der Bund

Viereinhalb Monate später ist die Pnos ungebremst auf dem Vormarsch. InLangenthal und Solothurn wurden neue Sektionen aus dem Boden gestampft, inGünsberg kandidiert Pnos-Präsident Dominic Bannholzer für den Gemeinderatund in Luzern wurde ein Gesuch für die Durchführung einer Demonstration am 1.Mai gestellt. Vorerst abgelehnt, führt die Partei zurzeit Beschwerde beimKanton und will notfalls bis vor Bundesgericht gehen.

Politik spielt noch eine kleine Rolle

Obwohl politische Aktionen Rechtsextremer wie Demos oder Flugblattaktionenzugenommen haben, hält es Bühler für übertrieben, von einer«Verpolitisierung» der Szene zu sprechen. «Die Hauptaktivität liegt nachwie vor im Besuch von Konzerten und Festen, die Politik spielt noch eine kleineRolle.» In diesem «kulturellen Bereich waren laut RechtsextremismusexperteHans Stutz bis anhin vor allem auch Skinheadgruppen wie die Hammerskins oderBlood and Honour tätig.

Nirgends ist die rechtsextreme Szene so stark wie im Mittelland. Der DAPschätzt die Zahl der Mitglieder in den Kantonen Bern, Solothurn und Aargau auf750. Grössere Szenen finden sich auch in Zürich, Luzern und Basel-Land mit 460Aktivisten. National geht man von 1700 Mitgliedern aus.

Nicht erstaunlich für Stutz: «Die Szene im Mittelland ist zurzeit so gutorganisiert und strukturiert wie in keiner anderen Region.» Dazu tragen lautStutz die vier Pnos-Sektionen und die Kameradschaft der Helvetischen Jugend(HJ) bei. Diese organisiert regelmässig Anlässe, agiert im Umfeld der Pnos,und übernahm einen Teil des Wahlkampfes für Hirschi. Die HJ will sich nichtins Umfeld der rechtsextremen Szene rücken. «Wir sind lediglich einZusammenschluss einer national denkenden Jugend», sagt ein Sprecher.

«Nazitreff» in Burgdorf aufgeflogen

Wie stark die rechtsextremen Strukturen im Mittelland sind, zeigen auchRecherchen der linksradikalen Berner Antifa. Diese deckte auf, dass sich ineiner Burgdorfer Gewerbeliegenschaft Woche für Woche Rechtsextremeverschiedenster Gruppen zum nationalen Stelldichein trafen. Darunter auchPnos-Vertreter. Nachdem der Treff aufflog, handelte der Vermieter rasch. Erkündigte den Mietern den Vertrag.

Gewalt kann schnell entfachen

Wie steht es um die Gewaltbereitschaft? Während lose Gruppen mit Gewalttatenauf sich aufmerksam machen, versucht die Pnos vom gewalttätigen Imagewegzukommen. «Die Pnos propagiert unter anderem den Verzicht auf Gewalt, weildas Bild einer aggressiven, randalierenden Schlägertruppe sich nicht mit derangestrebten Etablierung als politische Kraft verträgt», heisst es imExtremismusbericht. Der DAP schätze die Bereitschaft zur geplanten Gewaltzurzeit als «eher tief» ein, sagt Bühler. «Sie ist zugunsten einer gewissenIdeologisierung gesunken, kann aber schnell entfacht werden.» So geschehen inWillisau Ende Oktober 2004. Rechtsextreme griffen eine bewilligte Demo an. ImFebruar 2005 verhaftet die Kapo Luzern 18 Personen. Bei Hausdurchsuchungenfindet sich ein mittleres Waffenarsenal: Sturmgewehr, Schrotflinte, Pistole,Messer sowie militärisches Material wie Bestandteile von Granaten undMunition. «Wir sind erschrocken, als wir das sahen», sagt Simon Kopp,Informationsbeauftragter der Strafuntersuchungsbehörden. Die meistenVerhafteten gaben an, Mitglieder der HJ zu sein, aber als Einzelpersonengehandelt zu haben. «Wir distanzieren uns von solchen Aktionen», sagt derHJ-Sprecher, bisher habe man keine der Personen in der HJ feststellen können.«Wir wollen die Jugend auf eine gewaltfreie Ebene bringen.» Nichts vonsolchen Versprechen hält Stutz: «Die sind das Papier nicht wert, auf dem siegedruckt werden.» Dazu Berns Pnos-Chef Pascal Lüthard: «Hans Stutz solltesich ein Hobby suchen, statt immer das Gleiche zu erzählen.»

Kampf auf der Strasse Über 150 Rechtsextreme aus der ganzen Schweizdemonstrieren am 1. Mai 2004 in Langenthal. simon Schärer

Mehr Vorfälle im letzten Jahr

DAP Zahl der rechtsextrem motivierten Taten nimmt zu

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der rechtsextrem motivierten Vorfälle gemässAuskunft von Jürg Bühler vom Dienst für Analyse und Prävention (DAP) leichtangestiegen. Wurden im Jahr 2003 noch 101 Vorfälle gezählt, waren es 2004bereits deren 111. Gerade junge Exponenten der Szene – viele sind nochminderjährig – und solche, die nicht an Politik interessiert sind, seien jenach Situation bereit, Gewalt anzuwenden, sagt Bühler. «Dies ist im letztenJahr beim Überfall auf einen Coop-Pronto-Shop in Liestal und einen Club inSeewen zu beobachten gewesen.» Solche Taten würden nicht von organisiertenGruppen, sondern von losen Zusammenschlüssen einzelner Exponenten verübt.

Auffällig sei zudem die Zunahme der Gewalt zwischen Rechts- und Linksextremen,sagt Bühler. «Beide Gruppen suchen gezielt die Konfrontation und versuchendie Aktivitäten der anderen zu stören.» Zudem werde versucht, bestimmte Tagemit Symbolcharakter zu «vereinnahmen». So demonstrierte die Pnos am 1. Mai,und linksextreme Kreise riefen zu antifaschistischen Aktionen am 1. August inLuzern auf. (ssr)

«Kein zweiter Fall Langenthal»

Interview Hans Stutz über rechtsextreme Wahlerfolge und den Sinn von Verboten

Verbote bringen längerfristig wenig, glaubt Rechtsextremismusexperte HansStutz. Es gelte die gesellschaftlichen Kräfte zu stärken, die sich gegenRechtsextremismus zur Wehr setzen.Simon Schärer

Rechtsextreme treten als Saubermänner in Anzug und Krawatte auf und schaffenden Einzug ins Parlament. Wird dieses Bild zur Normalität?

Hans Stutz: Ich habe immer gesagt, es werde den Rechtsextremen nicht gelingen,einen Parlamentssitz zu erobern. In Langenthal ist es gelungen. Doch das istvor allem auf die tiefe Stimmbeteiligung zurückzuführen. Ein weiterer solcherFall ist unwahrscheinlich. Grösser ist die Gefahr, dass ein Klima der Angst undVerunsicherung gegenüber Minderheiten entsteht.

Was ist vom immer wieder erklärten Gewaltverzicht von Gruppen wie der Pnos zuhalten?

Stutz: Solche Versprechen sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.Rechtsextremistische Exponenten behaupten immer wieder so lange dieGewaltlosigkeit, bis sie der Gewalttätigkeit überführt sind. Die HelvetischeJugend, eine Umfeld-Organisation der Pnos, hat ihre friedliche Motivation janoch betont, nachdem sie in Willisau politische Gegner angegriffen hatten.

Was fasziniert junge Leute an der rechtsextremen Szene?

Stutz: Ich würde nicht von Faszination sprechen. Diese Gruppen verstehen sichals Opposition zur ungerecht empfundenen Gesellschaft und gehen gleichzeitigauf die Schwächsten los. Natürlich spielt das Zusammengehörigkeitsgefühleine Rolle. Rechtsextreme nennen dies dann Kameradschaft.

In Deutschland wird über eine erneute Auflage des gescheiterten NPD-Verbotsdebattiert, wäre in der Schweiz analog ein Pnos-Verbot möglich?

Stutz: Das wäre denkbar, es gibt die Möglichkeit, Vereine aufzulösen, derenZiele gegen Gesetze verstossen. Das müssten die Gerichte beurteilen.

Was bringen solche Verbote?

Stutz: Verbote sind kurzfristig immer nützlich, weil sie Gruppen zwingen, sichneu zu organisieren und Aufbauarbeit zu leisten. Doch es ist eine Illusion zuglauben, längerfristig könne man das Problem so aus der Welt schaffen.Gruppen wie die Pnos würden mit Verzögerung wieder auferstehen.

Vorerst will das Parlament das Tragen von Symbolen wie dem Hakenkreuz verbieten,was bringt das?

Stutz: Im öffentlichen Raum ist dies sinnvoll, weil es den Rechtsextremenverunmöglicht, Propaganda zu betreiben. Doch es gibt viele Möglichkeiten,dieses Verbot zu umgehen. Man verwendet beispielsweise die Zahl 88 statt desAusdruckes ?Heil Hitler?.

Das klingt nach einer eigentlichen Sisyphusarbeit. Wie muss die Gesellschaft aufRechtsextremismus reagieren?

Stutz: Alle Botschaften die rassistisch oder antisemitisch sind, müssenkonsequent geächtet werden und wir müssen die gesellschaftlichen Kräftestärken, die sich gegen Rechtsextremismus zur Wehr setzen.

Hans Stutz ist Journalist und befasst sich seit 1989 mit der rechtsextremenSzene in der Schweiz.

Organisationen

In der Schweiz gibt es unzählige kleine rechtsextreme Gruppen. Diese sindoftmals lose organisiert und verfügen über keine festen Strukturen. DieZusammensetzung der Gruppen ändert sich regelmässig, eine Einigung derkleinen Gruppen auf ideologischer Ebene ist trotz verschiedener Versuche bishernicht gelungen. Daneben gibt es Organisationen, die im Mittelland aktiv sind,und über feste Strukturen verfügen:

Pnos

Die Partei national orientierter Schweizer (Pnos) wurde im Jahr 2001 vonAktivisten der Skinheadgruppe «Blood and Honour» gegründet. Heute verfügtdie Pnos über sechs Sektionen in Bern, Aargau, Solothurn, Basel, Freiburg undLangenthal, hat verschiedentlich an Wahlen teilgenommen, und macht mitDemonstrationen, Flugblattaktionen und einer eigenen Zeitung auf sichaufmerksam. Die Pnos verlangt unter anderem eine «rasche Rückführungkulturfremder Ausländer in ihre Heimat». Das Parteiprogramm und diePnos-Publikationen seien geprägt von fremdenfeindlicher, antidemokratischerund rechtsextremer Rhetorik, schreibt der Dienst für Analyse und Prävention(DAP) in seinem Extremismusbericht. Für Landesleiter Jonas Gysin ist klar,dass die Pnos auch in Zukunft bei Wahlen antreten wird. «Wir haben bewiesen,dass wir einen Wahlkampf führen können.»

Helvetische Jugend

Die Helvetische Jugend (HJ) wurde im Sommer 2004 gegründet und vereinigt«Kameraden» aus dem Oberaargau, dem Luzerner Hinterland, dem Wiggertal unddem angrenzenden Aargau. Die Gruppen – deren Kürzel HJ an die Hitlerjugend imDeutschland des Nationalsozialismus erinnert – machte unter anderem mitFlugblattaktionen auf sich aufmerksam. Die HJ ist besonders im Oberaargau engmit der Pnos verbunden. Über die Mitgliederzahl der HJ ist nichts bekannt.

Hammerskins (SHS)

Der Schweizer Ableger der aus Amerika stammenden Organisation sieht sich alsElite der Schweizer Skinheads. Die Schweizerischen Hammerskins sind heute imMittelland vor allem im Aargau und in Luzern aktiv und für einen grosses Teilder Anlässe der Skinheadszene mitverantwortlich, schreibt der DAP. Besondersim Aargau ist eine starke Zunahme an SHS-Mitgliedern zu verzeichnen.

Blood and Honour

Blood and Honour (B&H) wurde 1998 in der Schweiz als Ableger einerinternationalen Organisation gegründet und ist im Mittelland vor allem imAargau aktiv, der Mitgliederstand ist hier laut DAP steigend. B&H besuchenregelmässig Feste im In- und Ausland und handeln mit rechtsextremem Material.B&H sehen sich als Konkurrenz zu den Schweizerischen Hammerskins.

Napo

Bei der Pnos ausgetreten, gründete Holocaust-Leugner und Szene-VordenkerBernhard Schaub die Nationale Ausserparlamentarische Opposition (Napo). DieNapo ist nach dem Zellenprinzip organisiert, einzelne regionale Stützpunktearbeiten unabhängig voneinander. Die Napo trat unter anderem mit einerFlugblattaktion in Solothurn und Aufmärschen in Zofingen und Egerkingen auf.Am 12. März 2005 rief die Napo zu einem Fackelmarsch nach Schaffhausen auf,150 Rechtsextreme aus dem In- und Ausland folgten dem Aufruf. Der DAP schliesstnicht aus, dass Bernhard Schaub, der enge Kontakte zur NPD unterhält, die Napoals Ergänzung zur Pnos für den aktionsbezogenen Kampf auf der Strassegegründet hat. (ssr)