Rechtsnationale planen Demo auf dem Bundesplatz

Der Bund vom 26.08.2012

Rechtsnationale Kreise wollen unter dem Motto «Stopp Kuscheljustiz» auf dem Bundesplatz demonstrieren. Die Stadt prüft derzeit ihr Gesuch.

«Dass Schweizer aus Wohnungen oder Häuser ausziehen müssen, um für die Asylanten Platz zu machen, ist nur der Gipfel des Eisbergs. Das ist nur ein Beispiel von vielen.» Mit diesen Worten weibelt ein junger Mann auf Facebook um Mitglieder für seine Facebook-Gruppe «Stopp Kuscheljustiz!!! Macht endlich mal was!!!». Ziel ist eine Demonstration auf dem Berner Bundesplatz. Die Berner Zeitung Berner hatte am Freitag bereits auf die Veranstaltung aufmerksam gemacht, heute titelte die SonntagsZeitung: «Neonazis: Gesuch für Grossdemo auf dem Bundesplatz».

Sicherheitsdirektor Reto Nause bestätigt, dass ein Demonstrationsgesuch unter dem Titel «Stopp Kuscheljustiz» bei der Stadt eingegangen sei. Der Gesuchsteller sei eine Einzelperson. Was einer Bewilligung der Veranstaltung im Weg stehen könnte, und wie hoch das Gewaltpotential einer Demo rechtsnationaler Kräfte auf dem Bundesplatz eingeschätzt werde, will der Sicherheitsdirektor aktuell nicht beurteilen. «Wir werden uns im Laufe der nächsten Woche mit dem Gesuchsteller treffen und anschliessend einen Entscheid fällen», so Nause.

Zum jetzigen Zeitpunkt werde das Gesuch nicht anders behandelt als andere Demonstrationsgesuche auch. Klar ist bereits, dass die Demonstration nicht wie angekündigt schon am 1. September stattfinden kann. Der neue Termin ist bislang nicht bekannt.

Kein «Neonazi-Aufmarsch»

Bisher hat die Gruppe 485 Mitglieder, darunter Personen und Gruppen mit Profilnamen wie «Stolzer Eidgenosse» oder «Schweiz Helvetia». Allerdings dürften nicht alle Mitglieder ihre Mitgliedschaft frei gewählt haben: Die meisten Gruppenmitglieder wurden hinzugefügt oder von Dritten eingeladen. Wer sich nicht eigens aus der Gruppe abmeldet, fungiert weiterhin als Mitglied.

Rechtsextremismus-Experte Samuel Althof mag denn auch nicht von «Neonazis» sprechen. Nach einer Durchsicht der Facebook-Gruppe spricht er auf Anfrage von von einer «rechtsextrem durchzogenen Gruppe»: «Es finden sich Personen aus der rechtsextremen Szene, Mitglieder der Partei nationalorientierter Schweizer (pnos), aber auch SVP-Mitglieder darunter.» Dennoch will er nichts verharmlosen: «Die rechtsextreme Szene ist stabil bis rückläufig – eine PR-trächtige Bühne wie der Bundesplatz könnte eine grosse Anziehungskraft ausüben, auch auf rechtsextreme Exponenten aus dem Ausland», so Althof.

«Kuscheljustiz» als Sammelbecken

Weshalb der Organisator das Stichwort «Kuscheljustiz» als Titel gewählt hat, kann Althof nur vermuten: «Der haltlose Vorwurf, dass sich der Rechtsstaat gerade den Bedürfnissen von Asylbewerbern anbiedere, ist ein beliebtes und gefährliches Sammelbecken für Animositäten gegenüber Ausländern», sagt er. Das Schlagwort, in den letzten Jahren sorgfältig kultiviert von Rechtspolitikern, sei überdies imstande, viele, auch nicht extremistisch eingestellte Personen ins Boot zu holen.

Die Stadt Bern wurde zuletzt 2009 Schauplatz eines Umzugs von Rechtsradikalen, als die Pnos den Protestumzug gegen das Antirassismus-Gesetz von Burgdorf kurzum nach Bern verlegten. Sie marschierten vom Bärengraben zum Bundesplatz, Ausschreitungen blieben trotz Gegenveranstaltung aus.

Gegendemonstration geplant

Auf indymedia.org, dem Online-Netzwerk linker Aktivistinnen und Aktivisten, ist ein Aufruf zur Gegendemonstration geschaltet: «Wir werden (…) dem Aufmarsch mit kreativen Mitteln entgegentreten», steht da. Weitere Angaben zu Zeitpunkt und Ort würden noch folgen. Die Berner Kantonspolizei hat laut Mediensprecher Michael Fichter Kenntnis sowohl von der geplanten Demonstration wie auch ihren Gegenveranstaltungen. «Wir behalten die Situation im Auge und stehen mit der Stadt in Kontakt», so Fichter. Das Risikopotential der Veranstaltung zu beurteilen, obliegt der Polizei.

Samuel Altdorf ist sich indes schon sicher: Findet die Veranstaltung statt, ist das Ausschreitungspotenzial gross: «Wie immer, wenn rechts- und linksextreme Gruppierungen aufeinandertreffen.»