Prozess gegen Holocaust-Leugner

Basler Zeitung vom 30.03.2012

26-jährige Schweizerin steht wegen Rassendiskriminierung vor Gericht

Von Mischa Hauswirth

Basel. Die Geschichte begann im Juni 2009 mit einem BaZ-Artikel. Damals berichtete das Lokalressort unter dem Titel «Birsfelden hat nun einen Anne-Frank-Platz» von der Einweihungsfeier rund um einen Gedenkplatz an das von den Nazis ermordete Mädchen Anne Frank, das durch seine erschütternden Tagebücher weltberühmt geworden war.

Ein Vorstandsvorsitzender der «Partei nationalorientierter Schweizer» (Pnos) schrieb aufgrund des BaZ-Artikels einen Gegenartikel, um seine Sicht auf die Dinge darzustellen. Im Text mit dem Titel «Die Lügen um Anne Frank» stellte das Pnos-Vorstandsmitglied alles infrage, was historisch längst verbürgt und wissenschaftlich gesichert ist: Die Überführung von Anne Frank aus dem KZ Auschwitz nach Bergen-Belsen, die Echtheit der Anne-Frank-Tagebücher, ja selbst die Vernichtung von sechs Millionen Juden während des Zweiten Weltkrieges. Diesen Text veröffentlichte er auf der Pnos-Homepage. Die Angeklagte bewegte er dazu, die entsprechenden Links auf den Webauftritten der Regionalsektionen aufzuschalten. So auch in Basel.

Fakten grob entstellt

Der Pnos-Aktivist störte sich daran, dass das Buch als ein «Symbol und Dokument für den Völkermord an Juden» zur Pflichtlektüre geworden war. Weiter schrieb der Rechtsextreme im O-Ton: «Denn das traurige Schicksal eines Mädchens eignet sich wie kein zweites zur Holocaust-Indoktrination junger, unbedarfter Kinder. Die beiden unterschiedlichen Handschriften im Original lassen vermuten, dass dieses Machwerk genau so authentisch ist wie die Tagebücher von Adolf Hitler.»

Das Strafgericht hat den Autor dieser abstrusen Behauptungen im Juni 2010 wegen Rassendiskriminierung angeklagt, weil er öffentlich eine Ideologie verbreitet habe, «die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Juden gerichtet» sei. In der Anklageschrift heisst es weiter, am Beispiel der Geschichte von Anne Frank würde der Autor Zweifel am Schicksal der jüdischen Opfer im Dritten Reich säen oder die Fakten zumindest grob verharmlosen. Dazu habe er «pseudowissenschaftliche Scheinargumente» verwendet.

Link nach Urteil nicht gelöscht

Die Schweizerin, die heute vor Gericht steht, hat zwar die Zeilen nicht mitverfasst, ist aber kein unbeschriebenes Blatt. Als Vorstandsmitglied der nationalen Pnos sowie Vorstandsvorsitzende der Pnos-Sektion im Kanton Bern sei sie für die Websites der rechtsradikalen Partei mitverantwortlich gewesen.

Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt kommt zum Schluss, die beschuldigte Schweizerin hätte die Verbreitung dieses diskriminierenden Artikels unterstützt und sich strafbar gemacht. Konkret geht es um einen Tag: Nachdem der Autor des Artikels verurteilt worden war, hätte die Schweizerin die Links sofort löschen müssen. Dies hat sie nicht getan. Das Strafgericht Basel-Stadt hat heute darüber zu befinden, ob die Vorwürfe zutreffen. Die 26-jährige Bernerin ist bereits wegen Rassendiskriminierung vorbestraft.