Zürcher Sicht auf Langenthal

Berner Zeitung vom 08.11.2010

Eine Aussensicht auf Langenthal erhielt am Wochenende nicht nur, wer sich am Designers’ Saturday bei den Besuchern aus dem In- und Ausland umhörte (siehe Umfrage rechts), sondern auch, wer die renommierte «Neue Zürcher Zeitung» las. Diese widmete der «schillernden Kleinstmetropole im Mittelland» am Samstag eine ganze Seite. Ihr Fazit: «Es irrt, wer Durchschnitt mit Durchschnittlichkeit verwechselt, und wer es tut, dem sei eine Reise nach Langenthal empfohlen.»

Für die NZZ ist zwar nicht klar, ob es sich bei Langenthal um eine Stadt oder um ein Dorf handelt. Nicht zu Unrecht sprächen immer noch viele Einwohner vom «Dorf», «denn mancherorts fühlt sich der Ort bis heute so an, und es ist gut möglich, dass es einem hier schnell zu eng wird». Denn: «Man kennt sich.» So betrachtet sei Langenthal «Durchschnitt»: «Stadt und Land, weder klein noch gross, Teil des Kantons Bern, mitten im Oberaargau, verkehrstechnisch günstig gelegener Treffpunkt, ohne einheitliches Stadtbild.»

Aber eben: Das ist nicht alles. Für die NZZ ist der Designers’ Saturday «offensichtlichster Ausdruck der Gestaltungskraft, die der scheinbare Durchschnitt entfaltet». Hier herrsche «Inspiration auf dichtestem Raum». Ruckstuhl, Création Baumann, Lantal Textiles, Glas Trösch, die Porzellanfabrik oder Girsberger seien Namen, «mit denen aus dem Raum Langenthal der Ruf der Schweiz als innovativer und kreativer Industrienation in die Welt hinausgetragen wird».

Die Bewilligung des Minaretts zeige, dass «das Dorf» bis heute in Religionsfragen «progressiv und freiheitsliebend» sei, schreibt die NZZ. Die rechtsextreme Partei Pnos sei zwar mit einem Mann im Stadtrat vertreten. Dort sei die Pnos aber isoliert und im Langenthaler Alltag so gut wie nicht vorhanden. Zitiert wird in diesem Zusammenhang der Stadtchronist und Pfarrer Simon Kuert, der findet, dass dies kein ungesunder Vorgang und Folge der liberalen Langenthaler Art sei: Auch wer mit radikalen Ideen komme, werde angehört – was nicht bedeute, dass er etwas erreiche.

Was die NZZ fürs Kunsthaus im Choufhüsi formuliert, gilt auch für Langenthal als Ganzes: Es ist «Beleg dafür, dass der Durchschnitt nur statistische Grösse ist, die das Pikante und Beachtliche umfasst».

Dominic Ramel