Pronto-«Glatzen» wüteten weiter

Tages-Anzeiger vom 21.08.2009

Rechtsextreme, die den Liestaler Bahnhof-Shop verwüstet hatten, fielen erneut durch brutale Angriffe auf.

Thomas Knellwolf

Die nicht so glorreichen Sieben auf der Anklagebank bekamen gestern etwas zu hören vom Staatsanwalt. «Blinde Gewalt» hätten sie wiederholt ausgeübt, «ohne zu überlegen, was die Konsequenzen für die zahlreichen Opfer sein könnten». Die fünf Muskelpakete, der etwas Fülligere und der schlaksige Kahlgeschorene mit dem Hemd, das aussah, als hätte er es nur für den Gerichtstermin angezogen, blickten mal finster, mal betreten, mal empört drein. Dabei hätten sie wissen müssen, dass das Plädoyer der Anklage für sie nicht zum Heimspiel wird.

Die beiden Jüngsten hatten bereits im Frühling 2004 schweizweit Aufsehen erregt. Vor laufenden Überwachungskameras verwüsteten sie mit anderen Neonazis den Coop-Pronto-Laden im Liestaler Bahnhof und schlugen drei Unbeteiligte nieder. Wegen ihres zarten Alters von 17 und knapp 16 Jahren kamen sie damals mit bedingten Strafen davon. Doch ihre letzte Chance haben beide nicht genutzt. Sonst sässen der heute 23-Jährige, der demnächst Vater wird, und der 21-Jährige, der bereits ein Kind hat, diese Woche nicht vor dem Baselbieter Strafgericht.

«Da machen wir Juden kalt»

Die «Glatzen» haben schon im Frühling 2005 erneut gewütet. Die Anklage listet 26 Einzeltaten auf, begangen nachts, in wechselnder Zusammensetzung. Die Rechtsextremen schlugen am Liestaler Bahnhof zu oder bei «ihrem»nahen Pub. In einem Grenchner Musikklub attackierten sie einen Afrikaner mit Barhockern und Flaschen. Am Stephansball in Herznach brachen sie einem Opfer das Nasenbein. An der Beachparty im nahen Gansingen schlugen sieeinem jungen Mann die Zähne aus. Nach einem Grümpelturnier in Muttenz sollen mehrere Tätereinen Mann noch mit Springerstiefeln traktiert haben, als er amBoden lag. An einer Silvesterparty sangen sie: «In Buchenwald, inBuchenwald, da machen wir die Juden kalt.» Einen «Kameradengeburtstag» feierten sie mit Hitlergrüssen und Sieg-Heil-Rufen.

«Ich bin kein Kind der Freundlichkeit», sagte der untersetzte Muskulöse, der gestand, einen Polizisten gegen ein Auto «getätscht» und einen anderen mit blossen Fäusten «weggeknallt» zu haben. Bei ihm fand die Polizeineben einer Hakenkreuz-Flagge und der Fahne eines rechtsradikalen Netzwerks ein kleines Waffenarsenal mit Bärentötern, einem Revolver, einem Samurai-Schwert und einem Morgenstern.

Der vergleichsweise glimpflich ausgegangene Angriff auf die Polizisten ist eine der wenigen zugegebenen Attacken. Die Angeklagten beteuern sonst meist, gerade zur Tatzeit nicht vor Ort gewesen zu sein oder sich bei den Schlägereien zurückgehalten zu haben. Gleichzeitig hätten sie, stark betrunken, nicht gesehen, wer zuschlug. Der Staatsanwalt nahm ihnen das ebenso wenig ab wie die Beteuerung, sie hätten sich von der rechtsextremen Szene distanziert. Er forderte bedingte und unbedingte Geld- und Haftstrafen von bis zu drei Jahren. Die Verteidiger plädierten überall dort, wo es leise Zweifel an der Täterschaft gibt, auf Freispruch. Das Urteil erfolgt am 2. September.