Milde Strafen für gewalttätige Rechtsextreme

Wegen der schlampigen Ermittlungsarbeit der Untersuchungsbehörden in drei Kantonen fehlten dem Strafgericht die griffigen Beweise

Mit bedingt ausgesprochenen Strafen und einem Freispruch sind die sieben gewalttätigen Rechtsextremisten glimpflich davon gekommen.

rolf schenk

Weil sich die angeklagten schweren Gewaltdelikte mangels aussagekräftiger Untersuchungsergebnisse nicht beweisen lassen, hat die Kammer des Baselbieter Strafgerichts unter Präsidentin Jacqueline Kiss in praktisch allen Fällen nur die juristisch minder schweren Delikte als Basis für ihre Richtsprüche nehmen können. In verschiedenen Fällen hat sie gar auf Freisprüche erkennen müssen.

«Schiere Anwesenheit reicht als Beweis für eine Straftat nicht aus», erklärte die Vorsitzende in ihrer mündlichen Begründung der Urteile gegen sieben gewalttätige Rechtsextremisten. Diese hatten zwischen Mai 2005 und Anfang 2007 bei öffentlichen und privaten Veranstaltungen mehrere Personen teilweise erheblich verletzt (Siehe bz vom 18. und 21. August).

Menschen verachtend

Die Kammer ist aber offenbar nicht restlos überzeugt, dass sich alle Angeklagten › trotz gegenteiliger Beteuerungen › von ihrer Vergangenheit gelöst haben. «Wer solche Menschen verachtende Texte wie das ‹Belsen-Lied› auch nur mitsingt, verwirkt sich jede Gnade», sagte Jacqueline Kiss an die Adresse besonders auch jenes bekennenden Neonazis, der sich in der Hauptverhandlung zwar von jeder Gewalt distanzierte, aber offen zur Partei national orientierter Schweizer (Pnos) bekannte.

Weil er sich an der Prügelei im Nel- son Pub in Liestal nachweislich nicht aktiv beteiligt hat, wurde er in diesem Punkt freigesprochen und lediglich wegen seiner Beteiligung an einer rassistischen Pnos-Gegendemo an der diesjährigen «Europride» in Zürich zu einer bedingten Geldstrafe von fünf Tagessätzen à 210 Franken verurteilt.

Behörden mit Scheuklappen

In seinem Fall deckten sich seine Angaben mit jenen anderer Beteiligter und weiterer Zeugen. Aber ansonsten haben sich die Ermittler sowohl im Baselbiet als auch im Aargau und im Solothurnischen haarsträubende Fehler erlaubt. So habe die Aargauer Polizei unbegreiflicherweise einem der Angeklagten einen Gürtel mit Nazi-Schnalle einfach zurückgegeben. Das mache nachdenklich, sagte Jacqueline Kiss, und werfe ein bedenkliches Licht auf solche Behörden, die offenbar weder rassistisches Gedankengut noch deren Symbole erkennen würden.

Unbegreiflich für sie sei auch, dass die Ermittler nicht einmal die Schuhe der «Glatzen» näher untersucht hätten. Ob ihre am Boden liegenden Opfer mit «weichen» Springerstiefeln oder mit Stahlkappen-verstärkten Stiefeln traktiert wurden, sei entscheidend etwa dafür, ob die Täter der einfachen oder der schweren Körperverletzung angeklagt werden könnten.

Ein Leben lang gezeichnet

Von den sieben Männern hat sich nur einer der drei mutmasslichen Haupttäter, der Ende Mai 2005 im «Big Ben Pub» in Liestal einem damals 18-Jährigen einen Bierhumpen auf den Kopf gehauen hat, bei seinem Opfer entschuldigt. Der Mann sei mit der zurückgebliebenen Narbe im Gesicht für sein ganzes Leben gezeichnet. Dem «gerade noch» mit einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren um den Knast herum gekommenen Täter hat das Gericht auch abgenommen, dass er sich ernsthaft bemüht, vom Rechtsextremismus los zu kommen.

Der jüngste Angeklagte ist in misslichen Verhältnissen aufgewachsen und in Österreich erst kürzlich › stockbetrunken › wieder straffällig geworden. Er steht seit seinem zehnten Lebensjahr unter dem Einfluss seines Grossvaters, einem Alt-Nazi. Die Rechtsextremisten seien seine «Ersatzfamilie» geworden, sagte die Vorsitzende. Das Urteil: zwei Jahre bedingt mit der maximalen Probezeit von fünf Jahren. Zwei Angeklagte sind zu je zwölf, ein weiterer zu sechs Monaten Freiheitsentzug bedingt verurteilt worden.

Nicht nur freigesprochen, sondern auch noch mit einer Haftentschädigung versehen wurde nur der schon vom Staatsanwalt als «Mitläufer» eingestufte Angeklagte. Ihm konnte lediglich nachgewiesen werden, dass er bei den Ausschreitungen mit dabei war. Dass er 15 Tage in Untersuchungshaft genommen wurde, sei unverhältnismässig gewesen, sagte Jacqueline Kiss.