Nazi-Rock unter dem Ladentisch

Publikations-Datum: 19960509
Facts Nummer: 19

Skinheads führen rechtsextreme Rock-CDs in die Schweiz ein. Die Polizei kann gegen den regen Handel in der Szene nichts ausrichten.

Zuerst bemerkte Meinrad Z. * im Oltener Plattenladen Musikarena nur das unpolitische Heavy-Metal- und Punkrock-Sortiment. Doch dann fand er in den Gestellen die 1984 eingespielte CD «Der nette Mann» der Böhsen Onkelz, die lange Jahre die Kultband der Skinhead-Szene waren. Das Album steht in Deutschland seit zehn Jahren auf der Indexliste der Bundesprüfstelle für jugend- gefährdende Schriften. Die Frankfurter Skinhead-Band, die inzwischen ihrer rechtsextremen Gesinnung abgeschworen haben will, sang damals deutsch und deutlich: «Wir sind stolz darauf, Deutsche zu sein.» Gelegentlich gröhlten sie auch «Türken raus».

Bei Musikarena in Olten wollte gegenüber FACTS niemand dazu Stellung nehmen: «Darüber reden Sie nicht mit mir», sagte ein Mann am Telefon und legte den Hörer auf.

Kunde Meinrad Z. fragte nach dem Onkelz-Fund nach weiteren Tonträgern von Naziskin-Gruppen. Der Verkäufer holte unter dem Ladentisch eine Kiste hervor. Darin fanden sich CDs von deutschen und amerikanischen Naziskin-Bands. Die politische Zuordnung dieser Ware fiel leicht: Die Hülle eines US-Samplers etwa zeigte das Bild eines NSDAP-Aufmarsches mit vielen Hakenkreuzfahnen. Und die Töne auf der CD hielten, was das Cover versprach: Auf dem Mitschnitt eines Live-Konzerts verschiedener deutscher Naziskin-Bands, darunter Commando Pernod, Endstufe und Kahlkopf, sind neben hetzerischen Liedern auch «Sieg Heil!»- und «Ausländer raus!»-Rufe zu hören.

 

Solche Ware muss indes nicht im heimischen Detailhandel angeboten werden, damit sich Schweizer Skinheads damit eindecken können. Viele bestellen ihre Musik direkt bei ausländischen Plattenvertrieben, deren Adressen in den Skin-Szeneblättern zu finden sind.

Gelegentlich suchen rechtsextremistische Vertriebe in der Schweiz aber auch aktiv nach Kunden. So verschickt etwa der NS-88-Versand aus dem dänischen Helleröd unverlangte Werbeprospekte, in denen zum Beispiel Konzertvideos von rechtsextremen Bands angeboten werden. Programm ist schon der Name des Versandes: NS steht für Nationalsozialismus, 88 für Heil Hitler.

 

Die Schweizer Bundespolizei beobachtet in letzter Zeit «vermehrt Aktivitäten von Skinheads, Tonträger mit rechtsextremem Inhalt einzuführen», bestätigt Peter Lehmann, Pressesprecher der Bundesanwaltschaft. Bei Stichproben beschlagnahmten die Zollbehörden in den ersten Monaten dieses Jahres allerdings nur zwei Sendungen: Bei der einen handelte es sich um dreissig gleiche CDs, bei der andern waren es zehn verschiedene CDs. Die Bundesanwaltschaft habe, sagt Peter Lehmann, die beiden Empfänger wegen Widerhandlung gegen die Antirassismus-Strafnorm «beanzeigt».

 

Solche Stichproben zeigen nur die Spitze des Eisbergs. Bei Hausdurchsuchungen nach dem Hammer-Skin-Überfall in Hochdorf beschlagnahmte die Polizei auch einschlägige Tonträger.

Live können Schweizer Skins ihre Idole meist nur im Ausland bewundern. Die Versuche, szeneninterne Konzerte aufzuziehen, scheitern immer wieder, weil die Schweizer Polizeibehörden meist im voraus von geplanten Veranstaltungen erfahren. So etwa im vergangenen Dezember, als Basler Polizisten ein Skin-Konzert im basellandschaftlichen Dörfchen Hölstein verhinderten.

Mit Stolz registrierten die Schweizer Hammer-Skins an ihrer letztjährigen Sommerparty im solothurnischen Schönenwerd daher die Anwesenheit eines Musikers der einschlägig bekannten Band Störkraft.
Autor: Hans Stutz

RECHTSEXTREM: Skins führen rassistische CDs ein.