Für Dialog zwischen Juden und SVP

Der Bund. Bundespräsident Adolf Ogi hat die jüdische Gemeinschaft zu mehr Öffnung und aktiver Beteilung am politischen Geschehen aufgerufen – und zum Dialog mit der SVP.

 

Im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus müsse sich die jüdische Gemeinschaft in der Schweiz nach aussen öffnen und sich zusammen mit allenandern demokratischen Kräften am politischen Dialog beteiligen, sagte Ogi am Montagabend in Oerlikon vor rund 400 Gästen an der 100-Jahr-Feier des“Israelitischen Wochenblatts“. Nur eine aktive politische Beteiligung bringe Erfolge, sagte der SVP-Bundesrat, der Ende Jahr zurücktreten wird. Gerade auchmit der SVP sollte die jüdische Seite den Dialog fortsetzen und intensivieren. Ogi: „Sprechen wir miteinander, gehen wir aufeinander zu, in gegenseitigemRespekt und mit jener toleranten Offenheit, die uns hier zu Lande eigen ist.“

Den Anfängen wehren
Der Bundespräsident betonte in seiner Ansprache, das Schweizer Volk sei in seiner grossen Mehrheit nicht antisemitisch und auch nicht vom Rassismusangesteckt. Dies hätten zum Beispiel die kürzliche Ablehnung der 18-Prozent-Initiative sowie die spontanen Kundgebungen gegen Skinheads und Neonazis inverschiedenen Schweizer Städten gezeigt. Aber die Schweiz müsse die Entwicklungen bezüglich Fremdenhass und Antisemitismus genau verfolgen und denAnfängen wehren, sagte Ogi. Zum heiklen Thema SVP und Rechtsextremismus äusserte sich Ogi nicht näher: „Ich habe es genügend und klar getan.“

Dafür kam Ogi auf den Holocaust und die Lehren daraus zu sprechen: „Die Völkergemeinschaft ist sich darin einig, dass der Holocaust ein Ereignis war, dasdie ganze Menschheit betrifft, denn noch nie wurde Rassismus in einer solch organisierten und bestialischen Form betrieben.“ Solche Gewalt und solcherTerror müssten „in Acht und Bann“ gehalten werden, auch Ansätze dazu dürften keine Zukunft haben.

Im Zusammenhang mit den nachrichtenlosen Vermögen stellte Ogi fest, dass die materielle Seite des Problems gelöst worden sei, die rechtlichen Ansprüchevon Holocaust-Opfern gegenüber den Banken befriedigt würden. Allerdings sei dieses Positive geschmälert worden durch „widrige Begleitumstände dertransatlantischen Auseinandersetzung“, wie Ogi es formulierte. „Die Pressionen von jenseits des Atlantiks haben ein Unbehagen hinterlassen und – geben wires zu – zu einem Sympathieverlust gegenüber der jüdischen Sache geführt.“

Entfremdung vermieden

Dennoch zeigte sich Ogi überzeugt, dass eine ernsthafte Entfremdung zwischen Schweizer Öffentlichkeit und hiesiger jüdischer Gemeinschaft vermiedenwerden konnte. Nicht zuletzt durch besonnene Worte von Ruth Dreifuss, Rolf Bloch, Michael Kohn, Sigi Feigel und François Loeb.

Im Weiteren kam Ogi auch auf den aktuellen Konflikt zwischen Israeli und Palästinensern zu sprechen. Der Bundesrat sei über die Gewalt der letzten Wochenin den besetzten Gebieten und in Israel besorgt. Ogi forderte Israeli wie auch Palästinenser auf, die Regeln des humanitären Völkerrechts zu respektieren,speziell hinsichtlich der Zivilbevölkerung.

Schliesslich würdigte der Bundespräsident die „grossen Leistungen, welche die jüdische Gemeinschaft in der Schweiz für unser Land erbracht hat“, und zeigtesich beeindruckt, dass das „Israelitische Wochenblatt“ alle Stürme des 20. Jahrhunderts überlebt hat (TA vom Montag).