«Wir überlegen uns, von Langenthal wegzuziehen»

BernerZeitung

Pnos-Stadtrat Weil Tobias Hirschi nicht im Telefonbuch steht, werden andere Langenthaler namens Hirschi am Telefon belästigt

Journalisten klappern alle Hirschis im Telefonbuch ab, bis sie die richtige Nummer haben, anonyme Anrufe landen bei unbeteiligten Hirschi-Anschlüssen: Dies passiert, wenn eine öffentliche Person nicht im Telefonbuch steht.

Daniel Haller

Rechts-Radikale auf dem Vormarsch», titelt die SF DRS-Rundschau. «Langenthal wählte einen Rechtsextremen in den Stadtrat. Der 20-jährige Strassenbauer hat sein Programm gegen die <Überfremdung> von den Nazis abgekupfert. Was ist los in Langenthal?» Wenn heute Abend im Fernsehen die mit diesen Worten angekündigte Dokumentation läuft, legen wohl Langenthaler, die mit dem Namen Hirschi im Telefonbuch stehen, den Hörer am besten neben den Apparat: «Wir mussten das Telefon abbestellen, um endlich wieder Ruhe zu haben», beklagt sich X.* Hirschi. Wegen der anonymen Anrufe sei sie als Frau derart verunsichert, dass sie sich abends kaum noch auf die Strasse traue. «Wenn das nicht besser wird, dann überlegen wir uns, von Langenthal wegzuziehen. Dabei wussten wir vorher nicht einmal, dass es diesen Tobias Hirschi gibt.»

Auch bei den anderen Hirschis in Langenthal stand das Telefon nach der Wahl des Pnos-Vertreters nicht still. «Rund ein halbes Dutzend Journalisten haben angefragt, ob er bei uns wohne», erklärt Y. Hirschi. Die Gespräche seien zwar alle in anständigem Ton verlaufen, aber sie möchte mit der Sache lieber nichts zu tun haben.

Bei Z. Hirschi hat sich sogar in der vergangenen Woche noch ein Tessiner Journalist nach dem neuen Stadtrat erkundigt. «Auch persönlich wurden wir darauf angesprochen. Unsere Tochter wurde an der Uni gefragt, ob sie etwa die Schwester von diesem Hirschi sei.»

«Das ist eine Katastrophe»

«Das ist eine Katastrophe», findet der stellvertretende Stadtschreiber Daniel Werder spontan. Das Problem sei, dass der neue Stadtrat bei den Eltern wohne und nicht unter eigenem Namen im Telefonbuch steht.

Könnte nicht die Stadt reglementarisch vorschreiben, dass alle Stadträte ihre Adresse und Telefonnummer bekannt geben? «Dafür haben wir keinerlei Handhabe», erklärt Werder. Seine Idee: «Die Belästigten sollten sich an Tobias Hirschi wenden und ihn auffordern, sich unter seinem Namen im Telefonbuch eintragen zu lassen.»

«Politiker oft belästigt»

Roland Christen findet als SVP-Präsident die ständige Erreichbarkeit für Politiker nicht opportun: «Viele Politiker werden mit anonymen Anrufen und Schlimmerem belästigt. Auch sie haben ein Recht auf Privatsphäre.» Deshalb reiche es, wenn ihre Adresse bekannt sei. Den Belästigten mit Namen Hirschi empfiehlt er, Anzeige bei der Polizei einzureichen, welche mit Fangschaltungen der Sache ein Ende setze. «Die belästigte Familie tut mir Leid.»

Das Gleiche sagt Susanne Röthlisberger. Sie weiss als EVP-Präsidentin nichts davon, dass ihre Stadträte telefonisch belästigt würden. Aus Datenschutzgründen überlege sich ihre Partei aber jeweils genau, was auf der Website über die Stadträte veröffentlicht werde. Ihr Kommentar: «Alles Anonyme ist daneben.» Die Präsidenten von SP und FDP waren gestern nicht erreichbar.

Erika Hirschi, Mutter des neu gewählten Stadtrats, bedauert, dass andere Hirschi-Familien belästigt werden. «Ich werde mit Tobias sprechen, ob es nicht besser wäre, seinen Namen ins Telefonbuch einzutragen. Dann wäre er wenigstens übers Internet zu finden.»