Die Skinheads geben sich heute sehr geläutert

TagesAnzeiger

Zwei der sieben Rechtsextremen, die vor drei Jahren in Liestal Unbeteiligte zusammen- schlugen, fordern eine mildere Strafe. Das Urteil folgt heute.

Von Jean-Martin Büttner, Liestal

Die Täter von damals treten heute auf, als ob sie Opfer seien. Da ist der 25-jährige Stephan B., der als Gärtner arbeitet, bei einer Guggenmusik Trompete spielt, mit seiner Freundin im Elternhaus wohnt und sich von der Politik fernhält. Dass er früher mit Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln herumlief und der rechtsextremen Truppe The Warriors angehörte: Damit will er nichts mehr zu tun haben. Seine Kleider habe er fortgeworfen, sagt er, mit Ausländern habe er beruflich viel zu tun und käme gut mit ihnen aus. Und da ist der ein Jahr jüngere Nico M, ein Secondo und Chauffeur. Er möchte mit seiner Freundin eine Familie gründen, hat sich mit seiner eigenen Familie versöhnt und zum Glauben gefunden. Auch er beteuert, sich von seinen früheren Überzeugungen völlig gelöst zu haben. Für seine Tat empfinde er Scham.

Baseballschläger, Axtgriff mit Nägeln

Die beiden Verurteilten sitzen vor dem Baselbieter Kantonsgericht Liestal; ihre Anwälte plädieren für eine mildere Bestrafung in zweiter Instanz. Unbestritten ist, was sich vor drei Jahren gleich gegenüber des Gerichtsgebäudes, im Coop-Pronto-Shop beim Bahnhof zugetragen hat.

Eine Truppe von sieben vermummten Rechtsextremen war nachts um zehn mit drei Autos vorgefahren. Sie war auf der Suche nach einer Gruppe von Ausländern, mit denen sie sich schon verschiedene Scharmützel geliefert hatte und von denen sie sich provoziert fühlte. Sie hätten ihnen «einen Denkzettel verpassen wollen», sagt einer der Appellanten. Dazu hatte sich die Gruppe mit Baseballschlägern, Aluminiumrohren und einem nägelbesetzten Axtgriff bewaffnet. Als sie ihre Gegner nicht antrafen, entlud sich ihre Wut jäh auf Unbeteiligte auf dem Bahnhofplatz und im Pronto-Shop. Drei von ihnen wurden schwer verletzt, einer leidet bis heute an den traumatischen Folgen des Überfalls.

Die sieben Skinheads erhielten von der ersten Gerichtsinstanz unterschiedlich hohe Strafen. Stephan B. bekam als einer der Rädelsführer eine unbedingte Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren. Nico M., in der Gruppe ebenfalls sehr aktiv, am Überfall aber nur als Chauffeur beteiligt, wurde als Mittäter zu 18 Monaten bedingt verurteilt.

Günstige Prognose

Zwar habe Stephan B. den Angriff tatsächlich mitgeplant, sagt sein Anwalt, und sein Vergehen wirke sehr schwer. Aber sein Mandant habe sich glaubhaft von seiner Vergangenheit distanziert und sich seither mustergültig verhalten. Zudem sei er an den schweren Verletzungen der Opfer nicht direkt beteiligt gewesen, habe aber eine der höchsten Strafen aller Verurteilten erhalten. Schliesslich gelte es auch, die günstige Prognose von Stephan B. nicht zu gefährden, weshalb er auf zwei Jahre Gefängnis bedingt plädiere. Tatsächlich erlaubt es eine Änderung im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, die Auswirkung einer Strafe auf das weitere Leben eines Täters zu berücksichtigen. Der Anwalt von Nico M. wiederum argumentiert, sein Mandant habe als einer der Chauffeure keinen Einfluss auf den unerwarteten Ablauf der Tat gehabt. Die Strafe sei deshalb auf eine Busse zu begrenzen.

Wenig Einsicht

Sowohl der Staatsanwalt wie auch der Anwalt eines der Opfer bestehen auf den härteren Strafen. Sie halten die Beteuerungen der beiden Appellanten für prozesstaktisch begründet und nehmen ihnen nicht ab, sich wirklich von ihrer rechtsextremen Vergangenheit distanziert zu haben. Ein beigezogener Gutachter beurteilt diese Frage differenziert: Die Verurteilten hätten zwar den Willen zum Austritt aus der rechtsextremen Szene gezeigt, den Ausstieg aber noch nicht abgeschlossen. Das sei erfahrungsgemäss ein langer Prozess. Zudem mangle es ihnen an der Einsicht über ihre Tat. Das Urteil der zweiten Instanz wird für heute Mittwoch Mittag erwartet.