Schmid verurteilt scharf, Blocher relativiert sogleich

TagesAnzeiger

Bundespräsident Schmid hat die Störung öffentlicher Anlässe «auf dem Rütli und anderswo» im Namen der Landesregierung scharf verurteilt. Doch Christoph Blocher betont Unterschiede.Von Bruno Vanoni, Bern

Es kommt nicht oft vor, dass der Bundespräsident nach der Sitzung der Landesregierung vor die Medien tritt, bloss um eine «Erklärung des Bundesrates» zu verlesen. Samuel Schmid tat dies gestern, um auf die Störung seiner 1.-August-Rede auf dem Rütli durch einige Hundert Rechtsextreme und Neonazis zurückzukommen.

Schmid: «Unseres Landes unwürdig»

Doch er sprach nicht nur davon, sondern von «verschiedenen Störungen öffentlicher Anlässe in letzter Zeit», die an der ersten Regierungssitzung nach der Sommerpause diskutiert worden seien: «Der Bundesrat verurteilt mit aller Deutlichkeit Schmährufe und entwürdigende Gesten, die an der Bundesfeier auf dem Rütli und anderswo gegen Rednerinnen und Redner abgegeben wurden. Unabhängig davon, woher sie kommen, sind sie unseres Landes unwürdig.»

Die damit ebenfalls angesprochenen linken Proteste gegen Auftritte von Christoph Blocher am 1. August in Winterthur und am letzten Wochenende in Saignelégier erwähnte der Bundespräsident allerdings nicht ausdrücklich. Ausführlich ging er hingegen auf die Rütliwiese ein, die dem Bundesrat 1859 als «unveräusserliches Nationaleigentum» geschenkt worden sei. Deshalb trage er eine spezielle Verantwortung dafür. Auf Journalistenfragen hin sagte Schmid, der Bundesrat erwarte von der Rütlikommission bis Ende Jahr Vorschläge für künftig wieder würdige Bundesfeiern. Persönlich sprach er sich dafür aus, weiterhin bundesrätliche Reden vorzusehen. Doch der Entscheid darüber – wie auch über Zutrittsverbote – liege nicht bei ihm oder dem Bundesrat, sondern bei der Rütlikommission bzw. den Kantonen.

Auf die Frage, ob der Bundesrat auch über eine Mitverantwortung der SVP für bestimmte Schmährufe diskutiert habe, antwortete Bundespräsident Schmid mit einem hastigen und knappen «Nein». Christoph Blocher an seiner Seite hingegen lachte amüsiert auf. Während Schmid den Journalisten nach seinem Auftritt aus dem Wege ging, stellte sich Blocher für einzelne Interviews zur Verfügung. Dabei widersprach er laut Radio DRS dem Vorwurf, die SVP und er selber trügen wegen ihrer hemmungslosen Wortwahl eine Mitverantwortung für die rechtsextremen Rütli-Schmährufe gegen Schmid wie «Judas», «Sau» und «Halbbundesrat».

Blocher betont linksextreme Gefahr

Im Radiointerview relativierte Christoph Blocher die in der bundesrätlichen Erklärung scharf verurteilten Vorfälle als «nichts Neues». Zudem sei die Stimmung in Winterthur bei seiner 1.-August-Rede «viel gewalttätiger» gewesen als auf dem Rütli. Diese Relativierung des Neonazi-Aufmarsches passt zur unbestätigten Information, wonach Blocher gestern im Bundesrat lange geredet haben soll – immer nach dem Motto: Die Linksextremen seien in der Schweiz viel gefährlicher, mobilisierungskräftiger und gewaltbereiter als die Rechtsextremen.

Nun gibt es auch im Jura Krach

Delsberg. – Nicht nur Bundesrat Samuel Schmid wurde jüngst bei einer Rede massiv gestört, sondern auch sein Parteikollege Christoph Blocher. Am vergangenen Sonntag lärmten junge separatistische Béliers und Globalisierungsgegner, als der Zürcher Bundesrat am Marché-Concours im jurassischen Saignelégier seine Rede hielt (TA vom Montag). Die Regierung des Kantons Jura hatte sich bereits entschuldigt, als gestern CVP-Regierungsrat Jean-François Roth in «Le Temps» nochmals auf das Thema zu sprechen kam.

Er kritisiert dabei SP-Polizeidirektor Claude Hêche, der nicht genug für die Sicherheit getan habe. Die Polizei, so Roth im Interview, hätte unter anderem verhindern müssen, dass mehrere Béliers in den Saal eindringen konnten, in dem Blocher seine Rede hielt. Die jurassische Regierung will jetzt die Anweisungen des Polizeikommandanten sowie der politischen Behörde überprüfen.

Jean-François Roth, der einst als möglicher Bundesrat gehandelt wurde, erklärte im Übrigen, er habe keinerlei Verständnis für Manifestanten, die nichts zu sagen haben und nur beleidigen. Er stehe für den Konsens ein, verurteile die Polarisierung in der Politik und die Verunglimpfung von Autoritäten. Für Letzteres trage auch Christoph Blocher einen Teil der Verantwortung. Das entschuldige aber nicht die Beleidigungen vom Sonntag.

Die Béliers hatten bereits im Vorfeld des Pferdemarkts von Saignelégier ihrem Unmut über Blochers Besuch Ausdruck gegeben, indem sie mit Unkrautvertilgungsmittel die Worte «Jura, terre d’asile» in die Wiese brannten. Sie hatten gleichzeitig versprochen, das traditionelle Fest des Pferdes nicht zu verderben. (tob)