Verstrickt in einer Prozesslawine: Die Basler Justiz wird vorgeführt

bz basel. Die «Nazifrei»-Demonstrierenden erzielen Erfolg vor Bundesgericht. Das Basler Appellationsgericht hat es sich bei seinem Urteil zu einfach gemacht.

Für die Anwälte der Politaktivisten, die wegen ihres Auftritts an der «Nazifrei»-Demonstration vom November 2018 vor Gericht anzutreten hatten, ist der Fall klar: Die Basler Justiz hat sich abgesprochen, sodass keine faire Urteile zu erwarten seien. Entsprechend haben sie gegen alle Mitglieder des Strafgerichts Ausstandsbegehren gestellt; die Prozesse sollen ausserkantonal wiederholt werden.

Im Februar 2022 hat das Appellationsgericht die gleichlautenden Begehren von 16 Beschuldigten zusammengefasst und im schriftlichen Verfahren die Ausstandsbegehren abgewiesen. Der Entscheid landete erwartungsgemäss beim Bundesgericht, das kurz vor Weihnachten das Basler Urteil kippte – aus formellen Gründen.

Ausgangspunkt der Ausstandsbegehren ist ein Interview, das Strafgerichtspräsident René Ernst der «Basler Zeitung» gegeben hat. Umstritten sind nicht nur seine darin gemachten Aussagen, sondern vor allem, ob er sich dazu vorweg mit anderen Strafgerichtspräsidenten abgesprochen habe.

Während die Strafverteidiger mutmassen, es habe eine unzulässige inhaltliche Absprache gegeben, gab es in der Darstellung von Ernst und des Strafgerichts lediglich eine Korrespondenz, ob er das Interview geben solle oder nicht.

Bundesgericht bewertet Interview als «kritisch»

Das Bundesgericht hatte zwar nicht über das Interview zu urteilen, meinte jedoch, es sei «zumindest kritisch zu betrachten». Das Urteil des Basler Gerichts, die Ausstandsbegehren abzuweisen, hatte aus zwei anderen Gründen nicht Bestand: Zum einen sei das rechtliche Gehör verletzt worden, als die Verfahren für den Zwischenentscheid zusammengelegt wurden und dabei den Verteidigern nicht alle relevanten Akten zugänglich gemacht wurden. Zum anderen sei es nicht zulässig gewesen, dass das Urteil ohne die verlangten weiteren Beweisverfahren gefällt wurde.

Das Bundesgericht sagt: So wenig ein Ausstandsgesuch «leichtfertig» bejaht werden dürfe, so wenig dürfe die Ablehnung ohne Erhebung von Beweismitteln erfolgen. Sonst werde nicht bloss der Anschein auf ein unbefangenes Gericht verletzt, sondern auch wiederum das rechtliche Gehör.

Dem Wunsch der Strafverteidiger, das Bundesgericht befinde materiell über das Ausstandsgesuch, ist dieses nicht nachgekommen: Das Basler Appellationsgericht muss erneut über das Gesuch befinden. Die «Nazifrei»-Prozesse werden zur Never-Ending-Story.