«Kristallnacht für Moscheen»: SVP-Mitglied droht Parteiausschluss

Tages-Anzeiger vom 25.06.2012

Vom Twitter-Account des SVP-Mitglieds und Bloggers Alexander Müller wurde in der Nacht auf Sonntag ein hetzerischer Tweet gegen Muslime abgesetzt.

Von Peter Aeschlimann und Michèle Binswanger

Zürich – Vom Twitter-Account @dailytalk ging in der Nacht auf Sonntag ein Tweet folgenden Inhalts in die weite Welt hinaus: «Vielleicht brauchen wir wieder eine Kristallnacht . . . diesmal für Moscheen.» In der Kristallnacht (1938) wurden Juden in ganz Deutschland Opfer von Nazigewalt. Der Account gehört Alexander Müller, Schulpfleger und Mitglied des Vorstands der SVP Stadt Zürich Kreis 7 und 8. Theoretisch wäre es möglich, dass Müller den Tweet nicht selber verfasst hat. Mittlerweile sind die Unterhaltungen allesamt gelöscht worden.

Ist Müller tatsächlich der Urheber, droht ihm vonseiten seiner Partei Ungemach. Laut Roger Liebi, Gemeinderat und Präsident der SVP Zürich, sind solche Äusserungen «eindeutig ein Ausschlussgrund». In der Volkspartei habe es schlicht keinen Platz für rechtsextreme Positionen. Weniger dramatisch sieht die Affäre Parteikollege Urs Fehr, Präsident der SVP 7 und 8: «Alex Müllers Wortwahl ist unglücklich, aber er hat nichts mit braunem Gedankengut zu tun.» Man müsse den Kristallnacht-Tweet in den richtigen Kontext stellen. Müller habe sich – zu Recht – fürchterlich über ein Urteil aufgeregt. Dieses sprach jüngst einen Muslim frei, der Gewalt gegen Frauen gutheisst, wenn diese sich sexuell dem Manne verweigern würden. Liebi ist «der Kontext» egal. Sei die Äusserung so gefallen, sei Müller unhaltbar. «Es handelt sich um eine schwere Verunglimpfung.» Man werde die Sache nun in der Partei diskutieren und danach die nötigen Massnahmen treffen.

Am Sonntagabend teilte Alexander Müller per Mail mit, dass er «nie eine Kristallnacht gegen Moscheen gefordert habe» und dies auch in Zukunft nie tun werde. Er betrachte die ganze Angelegenheit als eine Art Kesseltreiben gegen seine Person. Da die Jungen Grünen angekündigt haben, bei der Stadtpolizei eine Anzeige gegen ihn einzureichen, werde er sich nicht weiter zu den «Vorwürfen und Behauptungen» äussern.

Seit 2005 bei der Volkspartei

Müller betreibt einen Blog namens Dailytalk. Dort stellt er sich so vor: «Meine Ausrichtung ist rechtsbürgerlich, wirtschafts- und gesellschaftsliberal. Dies deckt sich auch mit meiner Zugehörigkeit zur SVP, deren Mitglied ich seit 2005 bin und zu deren Wählern ich seit den 90er-Jahren gehöre. Ich stehe ein für freie Meinungsäusserung, individuelle Entfaltung und ein selbstbestimmtes Leben innerhalb vernünftiger gesetzlicher Grenzen.» Ob er diese gesetzlichen Grenzen nicht überschritten hat und mit seinem Tweet gegen die Rassismus-Strafnorm verstösst, wird nun abgeklärt. Im Strafgesetzbuch, Artikel 261, steht: «Wer einen Ort oder einen Gegenstand, die für einen verfassungsmässig gewährleisteten Kultus oder für eine solche Kultushandlung bestimmt sind, böswillig verunehrt, wird mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft.» Infrage kämen auch die Tatbestände Rassendiskriminierung und öffentliche Aufforderung zu Verbrechen.

Alexander Müllers fragliche Äusserung fiel in einer Diskussion über das Rechtsurteil gegen den Basler Islamisten Aziz Osmanoglu, der es in Ordnung findet, dass nach den Gesetzen der Scharia ein Mann seine Frau mit Schlägen zum Sex zwingen darf. Die Staatsanwaltschaft prozessierte gegen Osmanoglu, scheiterte aber in erster und in zweiter Instanz.

Soziale Medien haben ein bedeutendes Kommunikationspotenzial. Politiker nutzen den Kurznachrichtendienst Twitter, um ihre Meinung zu verkünden. Gerne lesen sie auch beim politischen Gegner mit und liefern sich Dispute. Aber so dienlich Facebook und Twitter der Selbstpromotion sind, so tückische Folgen können sie haben. Sie funktionieren zwar wie ein vertrauliches Gespräch, aber letztlich sind es öffentliche Plattformen. Und ehe man sich versieht, ist die Welle der Empörung riesengross.

Zum wiederholten Male sind nun SVP-Vertreter in sozialen Medien mit rassistischen Äusserungen aufgefallen. SVP-Kantonsrat Claudio Zanetti, der unter dem Namen @zac1967 twittert, bezeichnete Araber in Tweets als «Kameltreiber». Valentin Kalt, der unter @SvpKaltZH3 twittert, nannte Chinesen «Schlitzaugen». Dies sorgte jeweils für Zoff, worauf sich die Twitterer rechtfertigen mussten. Motto: Wir pfeifen auf Political Correctness und nennen die Dinge beim Namen. Oder aber die Worte seien «in der Wut» gefallen.

Alexander Müller hat inzwischen seine SVP-Mitgliedschaft aus seinem Twitterprofil gelöscht.