Der Holocaust-Leugner Irving in Wien verurteilt

Neue Zürcher Zeitung

Drei Jahre Haft trotz taktischer Reue

Der britische Holocaust-Leugner David Irving ist in Wien zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt worden. Seine wenig überzeugend zur Schau getragene Reue hat ihm nur bedingt genützt.

Trotz zur Schau getragener Reue ist der britische Holocaust-Leugner David Irving am Montag vom Wiener Straflandesgericht nach Paragraph 3g des sogenannten Verbotsgesetzes zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt worden. Das – trotz einer möglichen Höchststrafe von zehn Jahren – immer noch ziemlich scharfe Urteil wurde von den acht Geschworenen einstimmig gefällt, und zwar in sämtlichen Punkten. Der 67-jährige Irving war auf Anraten der Verteidigung bemüht, taktische Reue zu zeigen, und mimte den Geläuterten. Doch die Geschworenen liessen sich von den Schalmeientönen, die der Angeklagte angeschlagen hatte, nicht irreleiten. Sie folgten dem kompromisslosen Plädoyer des Staatsanwalts und nicht den Verharmlosungsbemühungen der Verteidigung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; die Verteidigung hat Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angekündigt.

Gefängnis statt Olymp

Irving selbst hat noch vor wenigen Tagen in einem Interview mit dem Londoner «Daily Telegraph» ganz offen zugegeben, dass ihn die österreichische Rechtslage dazu zwinge, sich geständig zu zeigen. Er sei jedoch kein Holocaust-Leugner – dies sei eine «schmutzige Verleumdung». Auf rechtsextremen Websites wird denn auch bereits Verständnis für Irvings unter Druck erzwungene Mimikry geäussert. Dass er den Titel eines Holocaust-Leugners nicht verdiene, betonte Irving auch während seiner Vernehmung durch den Richter: Er zweifle jetzt nur noch «Einzelheiten» der Massenvernichtung an, denn er habe «in Etappen» während der letzten Jahre festgestellt, dass es im Dritten Reich tatsächlich Gaskammern gegeben habe. Einige seiner Bücher müssten nunmehr im Hinblick auf diese «neuen Erkenntnisse» revidiert werden. Auch Meinungen, die er bei diversen Vorträgen geäussert habe, seien falsch gewesen. Irving, der immer wieder Überlebende von Konzentrationslagern als «Fall für die Psychiatrie und nicht für Historiker» bezeichnet hatte, will sich neuerdings «bei diesen Leuten» dafür entschuldigen, dass er seine Worte «nicht immer auf die Goldwaage gelegt» habe.

Irving war am 11. November des letzten Jahres von der Autobahnpolizei in der Steiermark aufgegriffen worden, aufgrund eines Haftbefehls aus dem Jahr 1989. Damals hatte Irving an Vorträgen in Wien und Leoben und in einem Interview mit einer namhaften Wiener Journalistin, die nun als einzige Zeugin zu dem Wiener Prozess geladen war, die Existenz von Gaskammern unter dem Regime der Nationalsozialisten geleugnet. Vor seiner Verhaftung vor drei Monaten wollte Irving offenbar vor der Wiener Studentenverbindung «Olympia» einen Vortrag halten, erhielt aber einen Tipp und ergriff die Flucht in Richtung Graz. Zu der rechtsextremen Burschenschaft unterhalten der FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und andere Freiheitliche enge Verbindungen. Vereinzelte Altherren der «Olympia» bekleiden wichtige Positionen in Staat und Gesellschaft.

Gelegenheit zur Selbstdarstellung

Der Prozess hatte am Montagmorgen auf befremdliche Weise begonnen, mit halbstündiger Verspätung. Irving wurde in dieser Zeit Gelegenheit geboten, vor den Kameras der versammelten Welt- und Lokalpresse ungehindert sein Machwerk «Hitler’s War» werbewirksam in die Höhe zu halten und Journalisten in einer improvisierten Pressekonferenz Interviews zu geben. Irving werde «wohl noch Werbung machen dürfen», bemerkte dazu sein Verteidiger. Nach Prozessbeginn betonte Irving, der einst in einem deutschen Stahlwerk gearbeitet hatte und ausgezeichnet Deutsch spricht, er würde es schätzen, wenn während des Prozesses Deutsch statt Wienerisch gesprochen würde. An diesen Wunsch des Angeklagten hielten sich alle ausser seinem Verteidiger: Dieser fiel nämlich, als er bei den Geschworenen um Verständnis und Milde für Irving plädierte, zunehmend in den Wiener Dialekt; ein Stilmittel, dessen sich hierzulande auch gern Politiker bedienen, wenn sie in populistischer Aufwallung die Nähe zum Publikum suchen und mitten im Satz die Sprache wechseln.

Ungeachtet seiner eigenen populistischen Masche bezichtigte der Verteidiger den Staatsanwalt geradewegs der Demagogie. Denn dieser hatte Irvings vorgebliche Läuterung als blosses Lippenbekenntnis aus prozesstaktischen Gründen durchschaut. Solche Dinge vernehme man aus Irvings Mund zum ersten und wohl auch zum letzten Mal, sagte der Staatsanwalt. Irving bediene sich in der Trickkiste eines Schaustellers und Märchenerzählers – eine Rolle, die er für die Geschworenen spiele. Denn Irving habe noch bis vor kurzem bei seinen Auftritten in fast völlig identischen Referaten und mit missionarischem Eifer konsequent die Existenz der Gaskammern geleugnet und die Glorifizierung Adolf Hitlers betrieben. Ein Sinneswandel sei nicht zu erkennen, und damit seien mildernde Umstände nicht gegeben. Es handle sich nicht um einen Historikerstreit, denn Irving sei kein Historiker, sondern bloss ein Geschichtsfälscher.

Meinungsfreiheit?

Als geradezu zynisch bezeichnete es der Staatsanwalt, dass sich Irving auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufe, das er nicht gebrauche, sondern missbrauche. Denn Irving und seinen Gesinnungsgenossen gehe es nicht um die Meinungsfreiheit, sondern letztlich um deren Eliminierung. Ob Holocaust-Leugnung unter die Meinungsfreiheit subsumiert werden könne und mithin das Verbotsgesetz inzwischen obsolet geworden sei, war ein Thema, mit dem sich im Vorfeld des Prozesses auch die österreichischen Medien befasst hatten.