Das Protokoll der Rütli-Verschwörung

Blick

Sogar Leuenberger fiel Calmy-Rey in den Rücken

Von Henry Habegger und Simon Spengler

BERN. Alles nur Ausreden – Geld war immer mehr als genug da. BLICK-Recherchen zeigen, warum der Bundesrat die Rütli-Feier wirklich bodigte.

Aus dem Auftritt der höchsten Schweizerinnen Micheline Calmy-Rey (61, SP) und Christine Egerszegi (58, FDP) am 1. August auf dem Rütli wird nichts. Die Rütlikommission hat die Feier gestern abgesagt.

Den Ausschlag hat das Geld gegeben – angeblich. Die Innerschweizer Kantone hatten vom Bundesrat 100000 bis 200000 Franken an die Sicherheitsmassnahmen verlangt, wenn sie die Feier inklusive Schiffstransporte ermöglichen sollten. Doch der Bundesrat lehnte das Gesuch letzte Woche ab. Also gibts jetzt keine Feier.

BLICK weiss: Das Geld ist ein schäbiger Vorwand.

Rückblende auf die Bundesratssitzung vom 16. Mai. Auf dem Tisch liegt das Gesuch der Innerschweizer Kantone. Und siehe da: Für 100000 Franken ist schon gesorgt. Auf Anfrage der Bundeskanzlei haben Swisscom, Post, SBB und Ruag diesen Beitrag zugesagt, um die Feier zu ermöglichen. Weitere 150000 Franken soll der Bund zahlen.

Nur: Die Sponsorengespräche der Bundeskanzlei treiben den bürgerlichen Bundesräten die Zornesröte in den Kopf. Aber nicht nur: Übergangen fühlt sich vor allem SP-Mann Moritz Leuenberger, bei dessen Departement die vier bundesnahen Betriebe angehängt sind.

Resultat: Die Kostenbeteiligung ans Rütli wird mit 6 zu 1 Stimmen versenkt. Calmy-Rey sitzt allein da, verlassen selbst von Parteigenosse Leuenberger!

Es kommt noch dicker: Bundesrat und Kantone hatten sogar einen Sponsor, der die Sicherheitskosten ganz übernehmen wollte!

Der Sprecher des Verteidigungsdepartements bestätigt offiziell: «Ja, ein privater Sponsor hat Ende letzter Woche Bundesrat Schmid angeboten, alle zusätzlichen Kosten für die Sicherheitsmassnahmen zu übernehmen.»

Wer der Sponsor ist, will das VBS nicht verraten. BLICK weiss immerhin: Er verlangte keinerlei Gegenleistung und wollte anonym bleiben.

Schmid informierte den Urner Polizeidirektor Josef Dittli über das Angebot. «Ich sollte informell abklären, welche Massnahmen nötig wären und was das kosten würde», bestätigt Dittli gegenüber BLICK. Er habe auch seine Kollegen in der Innerschweiz und die Rütlikommission darüber informiert. «Aber die Reaktionen waren negativ, was ich auch Schmid meldete.»

Die Luzerner Polizeidirektorin Yvonne Schärli (SP, 55) meint: «Privates Sponsoring kann die Unterstützung vom Bund nicht ersetzen.» Die Innerschweizer Kantone fühlten sich alleingelassen und bestünden deshalb auf «das solidarische Mittragen der Rütli-Feier» durch den Bundesrat. «Die Feier auf dem Rütli mit den beiden höchsten Schweizerinnen ist schliesslich kein privater Regionalanlass», so Schärli.

Das Geld ist es also nicht, woran das Fest scheiterte. Woran sonst? Waren tatsächlich zwei Frauen an der Bundesfeier auf dem Rütli den Patriarchen aller Couleur zu viel?

Wie sagt doch SVP-Sprecher Roman Jäggi: «Auf dem Rütli sollen alle Platz haben. Nicht nur Linke, nicht nur Rechte. Und nicht nur Weibchen.»

Aus dem Rütli-Schwur ist eine penible Rütli-Verschwörung geworden. bBundespräsidentin Micheline Calmy-Rey bekam von Parteikollege Moritz Leuenberger keine Unterstützung. Die Feier

auf der Rütli-Wiese wurde abgesagt.

Wird die Wiese abgesperrt?

URI. Das Rütli, Symbol der freien Schweiz. Wird sie am 1. August zur Sperrzone?

«Wenn die Sicherheit auf dem Rütli am 1. August gefährdet ist, müssen wir das Gelände absperren», bestätigt der Urner Polizeidirektor Josef Dittli (FDP, 50). Gefahr sieht er vor allem, wenn neben Rechtsextremen auch Linksextreme aufs Rütli wollen. «Entschieden ist noch nichts», so Dittli. Deshalb könne man nichts über Kosten sagen.

Klar ist: Es gibt nur zwei Varianten, die die Schweiz vor der Schande des gesperrten Rütlis bewahren:

· Die Extremisten bleiben daheim. Die Chance ist winzig: Die rechtsextreme Pnos hat ihren Marsch aufs Rütli schon angekündigt.

· Die Politiker kommen zur Vernunft und es gibt doch noch eine Rütli-Feier. Geld wäre ja da (siehe Hauptartikel). Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey ist auch weiter entschlossen, ihre Rede auf dem Rütli zu halten. Auch diese Chance ist klein – ausser es hilft Bruder Klaus. Sonst verkommt das Rütli zur Sperrzone. Simon Spengler

Ineichen kämpft weiter ums Rütli

LUZERN. «Die Schande vom Rütli dürfen wir nicht hinnehmen!» Otto Ineichen gibt nicht auf.

Weil der Bundesrat bockt, will Politiker und Unternehmer Otto Ineichen (FDP, 65) selbst mit einer Sammelaktion die Kosten fürs Rütli-Fest aufbringen. «Viele haben sich spontan gemeldet und Hilfe angeboten.» Bevor die Aktion weiter-gehe, müsse erst klar sein, ob sich doch noch ein Weg zum Rütli-Fest auftut.

Entsetzt ist Ineichen vom Auftritt von Bundesrat Christoph Blocher in der «Rundschau» am Mittwoch: Statt eine Lösung zu präsentieren, habe Blocher alle desavouiert – die Kantone, die Rütli-Kommission, private Sponsoren. «Ich habe diese Miesmacherei satt! Als ob nur er allein wüsste, was getan werden müsste», so Ineichen. Für ihn ist weiter klar: «Das Rütli darf nicht den rechten Glatzköpfen überlassen werden.»