Pause im NSU-Prozess – Anklage nennt Wohlleben „Chef-Unterstützer“

SDA. Das Plädoyer der deutschen Bundesanwaltschaft im NSU-Prozess zieht sich hin. Kurz vor der wohl letzten Sommerpause untermauerte die Bundesanwaltschaft die Anklagevorwürfe gegen den mutmasslichen Waffenbeschaffer Ralf Wohlleben massiv.

Wohlleben sei der „Chef-Unterstützer“ der mutmasslichen Rechtsterroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gewesen, sagte Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten am Dienstag vor dem Oberlandesgericht.

Wohlleben und der Angeklagte Carsten S. müssen sich wegen Beihilfe zum Mord verantworten. Sie haben nach Überzeugung der Anklage die Waffe vom Typ „Ceska“ beschafft, mit der der „Nationalsozialistische Untergrund“ neun Menschen ausländischer Herkunft ermordet haben soll.

Wohlleben und S. hätten die „naheliegende Möglichkeit“ erkannt, dass die Pistole benutzt werden würde, um damit Menschen nichtdeutscher Herkunft zu erschiessen, hatte Weingarten bei der Verhandlung am Montag betont.

Und dennoch hätten die Angeklagten die Waffe damals beschafft, weil sie sich dem Auftrag der drei Untergetauchten „unbedingt verpflichtet“ fühlten. Wohlleben sei zudem „steuernde Zentralfigur“ der Jenaer Unterstützerszene gewesen.

Der ehemalige NPD-Funktionär Wohlleben und S. gehören zu den vier mutmasslichen Helfern des rechtsextremen NSU, die mit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe vor Gericht stehen. Wohlleben ist neben Zschäpe der einzige Angeklagte, der seit November 2011 ununterbrochen in Untersuchungshaft sitzt.

Letzter Tag vor Sommerpause

Weingarten sagte, Wohlleben sei bei der Waffenbeschaffung für seine drei Freunde bewusst das Risiko eingegangen, dass von der Pistole auch tödlicher Gebrauch gemacht werden würde – er habe das Risiko der späteren Ermordung von Ausländern sehr genau einzuschätzen gewusst.

Anderslautende Aussagen Wohllebens vor Gericht bezeichnete Weingarten als unglaubwürdig, teilweise sprach er sogar von „völligem Unsinn“.

Dienstag war der fünfte Tag des Plädoyers und der letzte Sitzungstag vor der Sommerpause. Fortgesetzt wird der Schlussvortrag der Anklage am 31. August. Anschliessend kommen Nebenkläger und Verteidigung an die Reihe. Mit einem Urteil wird erst in einigen Monaten gerechnet.

Wohllebens Motiv sei gewesen, den NSU in dessen „Kampf gegen den demokratischen Rechtsstaat“ zu unterstützen, den auch er abgelehnt habe, sagte Weingarten. Wohlleben habe dieses Motiv zwar bestritten und von einem Freundschaftsdienst gesprochen. Im Falle des NSU und seiner Unterstützer mit ihrer „exzessiven“ nationalsozialistischen Gesinnung sei aber auch „das Private politisch und das Politische privat“.

Wohlleben der „Mastermind“

Die zentrale Rolle bei der Waffenbeschaffung, die S. zu Beginn des Verfahrens gestanden hatte, weist die Bundesanwaltschaft Wohlleben zu. Er habe die verantwortliche Position gehabt, um über das Ob und Wie zu entscheiden. Wohlleben habe auch für die Finanzierung gesorgt.

Grundsätzlich habe Wohlleben die Aufträge seiner drei untergetauchten Freunde gesteuert, sei „Mastermind mit überlegenem Sonderwissen“ gewesen, sagte Weingarten. Er sei der „Strippenzieher“ gewesen, „der seine Helfer auf die Bühne schickt“. „Er und nicht S. war letztverantwortlich für die Erledigung von Aufträgen des NSU.“

Gleichwohl machte Weingarten auch S. massive Vorwürfe: Dieser hätte wissen müssen, welch „hochgefährlichen Typen“ er die Waffe übergab. Dessen Unterstützungshandlung sei ebenfalls von einer neonazistischen Gesinnung geprägt gewesen. Und der Oberstaatsanwalt betonte, die Angeklagten hätten bewusst eine Waffe mit Schalldämpfer bestellt. S. habe die Gefährdung des Lebens von Ausländern sehr wohl erkannt.